Entscheidungsstichwort (Thema)

Sachversicherung/Feuerversicherung - überraschende Neuwertklausel (§ 305c BGB)

 

Leitsatz (amtlich)

Hat der Versicherungsnehmer bei Abschluss einer Feuerversicherung die Wahl zwischen einer Versicherung "zum Neuwert" - oder - "zum Zeitwert" und entscheidet er sich für eine Neuwertversicherung, so ist eine in den Versicherungsbedingungen enthaltene Klausel zum Versicherungswert überraschend i.S.v. § 305c BGB, wenn die in einem Absatz mit "a) der Neuwert;" gekennzeichnete Definition des Neuwerts durch einen nachfolgenden, mit "b) der Zeitwert;" eingeleiteten Absatz in der Weise modifiziert werden soll, dass der Versicherungswert unabhängig von einer getroffenen Vereinbarung zum Versicherungswert, der Zeitwert ist, - falls er weniger als 40 Prozent des Neuwerts ist -.

 

Verfahrensgang

LG Hechingen (Urteil vom 12.11.2007; Aktenzeichen 1 O 168/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 30.09.2009; Aktenzeichen IV ZR 47/09)

 

Tenor

1. Das Urteil des LG Hechingen vom 12.11.2007 - 1 O 168/07, wird abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Eigentümergemeinschaft X. und Y. H. 18.442,53 EUR und vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 807,20 EUR, jeweils nebst Zinsen hieraus i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 11.5.2007 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger 5 % und die Beklagte 95 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des insgesamt vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert für beide Instanzen: jeweils 19.500 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt die Zahlung von Versicherungsleistungen an sich und seinen Bruder. Im Zuge eines Brandes wurde deren Dosierladewagen, ein landwirtschaftlicher Anhänger, beschädigt. Ersatz wurde von der Beklagten bisher nur auf der Basis des Zeitwertes geleistet, der Kläger strebt eine Abrechnung nach dem Neuwert an.

Der Kläger schloss im Oktober 2004 gemeinsam mit seinem Bruder u.a. eine Feuerversicherung ab. In der Rubrik "Versicherung nach Einzelpositionen" waren bei der Betriebseinrichtung die Alternativsparten "zum Neuwert" und "zum Zeitwert" angegeben. Der Kläger wählte die Neuwertalternative.

In den "Verbundenen Versicherungsbedingungen für die Sachversicherung landwirtschaftlicher Betriebe" ist u.a. geregelt:

§ 12 Versicherungswert

1. Betriebseinrichtung Versicherungswert der

  • kaufmännischen und technischen Betriebseinrichtung sowie
  • ..., ist

a) der Neuwert; Neuwert ist der Betrag, der aufzuwenden ist, um Sachen gleicher Art und Güte in neuwertigem Zustand wiederzubeschaffen oder sie neu herzustellen; maßgebend ist der niedrigere Betrag;

b) der Zeitwert; falls er weniger als 40 Prozent des Neuwertes beträgt oder falls Versicherung zum Zeitwert vereinbart ist; der Zeitwert ergibt sich ...

Nach Eintritt des Schadensfalls schickte die Versicherung ihren Mitarbeiter Herrn E. als Sachverständigen zum Kläger. Die beiden Herren besichtigten gemeinsam das geschädigte Objekt. Es wurden Fotos gefertigt. Als Mindestschäden sind entstanden eine Beschädigung an der vorderen Bordwand, leichte Brandzehrungen im Bereich des Holzbodens der Ladefläche, lokal begrenzte Durchbrennungen der Lackierung des Dörrfutteraufbaues und des oberen Bereiches des Ladeaggregates, ein teilweises Schmelzen des Dörrfutterladetuches, ein Anbrennen des Gummiquerförderbandes und ein Anbrennen der an dem Förderband vorhandenen Mitnehmer.

Herr E. erklärte, dass aus seiner Sicht ein Totalschaden vorliege. Der Kläger verschrottete den Ladewagen anschließend.

Die Beklagte hat den Zeitwert i.H.v. 2.500 EUR ersetzt. Mittlerweile hat der Kläger ein Ersatzgerät zum Preis von brutto 43.500 EUR gekauft.

Wegen des weiteren Sachverhaltes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Eine Zusage, wonach sich die Beklagte verpflichtet hätte, einen Brandschaden unabhängig vom Zeitwert des Geräts zu erstatten, habe die Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts ergeben. Nach dem Versicherungsvertrag sei die Beklagte nicht zur Erstattung des Neuwertes verpflichtet. Nach § 14 Ziff. 1a) bb) werde höchstens der Versicherungswert ersetzt und dieser sei nach § 12 Ziff. 1b) der Zeitwert, falls er weniger als 40 % des Neuwerts betrage. Dies sei der Fall bei einem Neuwert von 22.000 EUR und Zeitwert von 2.500 EUR. Diese Vertragsklausel sei wirksam, insbesondere nicht überraschend. Die Einführung von Entwertungsgrenzen in der Sachversicherung sei nicht ungewöhnlich. Letztlich sei eine Pflichtverletzung durch eine falsche Auskunft über den Regulierungsumfang nicht nachgewiesen.

Gegen dieses ihm am 16.11.2007 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 28.11.2007 beim OLG eingegangenen Berufung. D...

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