Leitsatz (amtlich)

1. Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung fehlt, wenn Zahlungen auf Waren erfolgen, die unter Eigentumsvorbehalt geliefert worden sind, und die Waren oder deren Wert den Insolvenzgläubigern zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz vollständig zur Verfügung stehen.

2. Unter einfachem Eigentumsvorbehalt stehende Warenbestände gehören nicht zur Insolvenzmasse und unterliegen dem Aussonderungsrecht des Eigentumsvorbehaltsverkäufers. Es kann nicht ohne Anhaltspunkte unterstellt werden, die Schuldnerin oder der (vorläufige) Insolvenzverwalter hätten ohne die Zahlungen das vom Anfechtungsgegner vorbehaltene Eigentum an den gelieferten Waren missachtet und diese unbefugt unter Bruch fremden Eigentums verarbeitet oder veräußert.

3. Neben der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts hat der Anfechtungsgegner nur darzulegen und zu beweisen, auf welche Leistungen die angefochtenen Zahlungen erfolgt sind. Der Insolvenzverwalter trägt dann die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Waren zum Zeitpunkt der Zahlungen nicht mehr vorhanden waren, also die Zahlungen ohne Gegenleistung erfolgt sind, und für den Verbleib der bezahlten Waren.

 

Normenkette

InsO § 130

 

Verfahrensgang

BGH (Urteil vom 21.06.2007; Aktenzeichen IX ZR 231/04)

OLG Stuttgart (Urteil vom 07.12.2004; Aktenzeichen 10 U 119/04)

LG Ravensburg (Urteil vom 29.04.2004; Aktenzeichen 1 O 178/03)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Ravensburg vom 29.4.2004 - 1 O 178/03, abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 3.125,48 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem 1.7.2001 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Ravensburg vom 29.4.2004 - 1 O 178/03, zurückgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen.

4. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwerte:

1. Instanz und Berufungsverfahren 10 U 119/04: 179.135,51 EUR

BGH und Berufungsverfahren 10 U 147/07: 74.413,83 EUR

 

Gründe

I. Der Kläger macht als Insolvenzverwalter gegen die Beklagte jetzt noch Rückzahlungsansprüche aus Insolvenzanfechtung i.H.v. insgesamt 74.413,83 EUR nebst Zinsen geltend aus einem Wechsel der Beklagten an eigene Order vom 27.12.2000, den die Schuldnerin als Bezogene angenommen und am 30.3.2001 bezahlt hat (48.981,17 EUR), und einer Scheckzahlung vom 15.3.2001 über 25.432,66 EUR, die dem Geschäftskonto der Schuldnerin am 21.3.2001 belastet und auf dem Konto der Beklagten am 19.3.2001 gutgeschrieben worden ist. Streitig ist zwischen den Parteien, ob die Voraussetzungen einer jetzt allein noch in Betracht kommenden Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfüllt sind.

Gesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin waren Otto Sch. und sein Sohn Wolfgang Sch.. Der Gesellschafter Otto Sch. zog sich ab 1996 immer mehr aus der aktiven Geschäftsführung zurück und überließ seinem Sohn insbesondere den Bereich Finanzen.

Die Beklagte wurde 1983 von Otto Sch. und seinem Sohn Dieter Sch. gegründet. Bis zum Ausscheiden des Vaters aus allen Funktionen am 20.8.2001 waren beide Gesellschafter und Geschäftsführer.

Von 1983 bis zur Insolvenzeröffnung am 1.7.2001 standen die Beklagte und die Schuldnerin in einer ständigen Geschäftsbeziehung.

1996 geriet die Schuldnerin in eine schwierige finanzielle Lage. Mit Schreiben vom 2.6.1997 kündigte die D. Bank der Schuldnerin sämtliche Kredite und verlangte bis 30.6.1997 die Rückzahlung von 4.144.598,93 DM. Hierzu war die Schuldnerin nicht in der Lage. Nach Verhandlungen erklärte sich die Bank jedoch am 3.12.1997 bereit, unter bestimmten Voraussetzungen bis 31.12.1998 still zu halten. Diese Frist wurde in der Folgezeit mehrfach verlängert.

Die mit der D. Bank vereinbarten Zinszahlungen von jeweils monatlich 26.000,- DM konnte die Schuldnerin für November und Dezember 2000 nicht mehr erbringen, weshalb die D. Bank mit Schreiben vom 19.1.2001 erklärte, zu einem weiteren Stillhalten nicht mehr in der Lage zu sein. Mit Schreiben vom 30.1.2001 erklärte sie sich jedoch sodann zur Stundung der Raten bereit.

Nachdem ein Sanierungskonzept der Schuldnerin gescheitert war, stellte sie am 23.5.2001 Insolvenzantrag.

Das LG Ravensburg hat in der Sitzung vom 4.3.2004 Wolfgang Sch., Otto Sch., Johannes B., Karl-Hinrich F. und Edith Fr. zur wirtschaftlichen Entwicklung der Gemeinschuldnerin und der Kenntnis des Herrn Otto Sch. hiervon ve...

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