Leitsatz (amtlich)

1. Der Eigentümer kann ein seit langer Zeit praktiziertes Notwegerecht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht unterbinden, wenn der Weg nur in dem Umfange genutzt wird, wie es der jahrzehntelangen bisherigen Nutzung unter Berücksichtigung der fortgeschrittenen Technisierung entspricht.

2. Eine schuldrechtliche unentgeltliche Zufahrtsgestattung begründet lediglich Leihverhältnis, das bei fehlender entgegenstehender Vereinbarung gem. § 604 Abs. 3 BGB ohne Vorliegen eines besonderen Grundes jederzeit gekündigt werden kann.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 03.04.2003; Aktenzeichen 1 O 207/02)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Kläger wird das am 3.4.2003 verkündete Schlussurteil des LG Saarbrücken, Az. 1 O 207702, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, die Nutzung ihrer Grundstücke in der Gemarkung-, Flur 15, Parzellen-Nr. ... und ..., zum Zwecke der Befahrung zum Grundstück der Kläger, Parzellen-Nr. ..., zu dulden.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, die auf ihrem Grundstück in der Gemarkung-, Flur 15, Parzellen-Nr. ... zum Grundstück der Kläger, Parzellen-Nr. ..., hin aufgestellten 5 Betonringe zu beseitigen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung der Kläger wird zurückgewiesen, soweit die Beklagte nicht durch Teilanerkenntnisurteil des LG Saarbrücken vom 2.10.2002 verurteilt worden ist.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern zu je 1/6 und der Beklagten zu 2/3 auferlegt.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Schlussurteils des LG Saarbrücken vom 3.4.2003, Az. 1 O 207/02, Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das LG hat mit dem angefochtenen Urteil (Bl. 106 d.A.) die auf Duldung des Begehens und Befahrens der Parzellen Nr., und, hilfsweise auf Duldung der Nutzung vorbezeichneter Parzellen durch Befahren mit Versorgungsfahrzeugen, sowie die auf Beseitigung von fünf Betonringen gerichtete Klage abgewiesen, soweit die Beklagte nicht durch Teilanerkenntnisurteil vom 2.10.2002 (Bl. 76 ff d.A.) verurteilt worden ist. Es hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Anspruch der Kläger auf Nutzung der im Eigentum der Beklagten stehenden Parzellen Nr. ..., und zum Befahren unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehe. Zum einen könnten sich die Kläger nicht mit Erfolg auf ein Notwegrecht (§ 917 BGB) berufen. Denn nach den vom BGH bzw. der obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen lägen die Voraussetzungen, unter denen ein Notwegrecht einzuräumen sei, im Streitfall nicht vor (BGH BGHZ 75, 315 ff.; OLG Saarbrücken NJW-RR 2002, 1385), weil gem. den beim Ortstermin getroffenen Feststellungen die Entfernung des Grundstücks der Kläger zur Straße "..." 41 m (Luftlinie) betrage und ein Abstellen von Kraftfahrzeugen in dieser Straße sowohl rechtlich zulässig als auch tatsächlich möglich sei. Mithin könnten die Kläger in zumutbarer Entfernung zu ihrem Grundstück ihr Fahrzeug abstellen.

Eine andere Beurteilung sei auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil auf dem der Beklagten gehörenden Grundstück Nr. bereits seit dem Jahre 1902 eine "Wegegerechtigkeit zur Straße hin" zugunsten der heutigen Parzelle Nr. ... der Kläger im Grundbuch eingetragen sei. Zwar habe das Eigentum der Beklagten insoweit rechtsgeschäftlich eine Einschränkung erfahren. Allerdings beinhalte diese "Wegegerechtigkeit" kein Fahrrecht der Kläger, so dass diese sich auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auf ein Notwegrecht hinsichtlich der drei streitbefangenen Parzellen berufen könnten. Bei der auf der Parzelle eingetragenen "Wegegerechtigkeit zur Straße hin" handele es sich um eine Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB). Deren ursprünglicher, durch Auslegung zu ermittelnder Inhalt könne im Laufe der Zeit an veränderte Umstände angepasst werden; so berechtige ein "Wegerecht" auch das Befahren mit gebrauchsüblichen Fahrzeugen. Dies gelte allerdings nicht zu anderen als den ursprünglichen Zwecken. Aufgrund dessen könne dahinstehen, ob die streitgegenständliche Parzelle in der von den Klägern aufgezeigten Weise seit 1902 genutzt worden sei. Denn im Hinblick darauf, dass die Parzellen zwischenzeitlich Wohnzwecken dienten, habe die "Wegegerechtigkeit" eine Zweckänderung erfahren, so dass eine Erstreckung auf das Befahren mit Kraftfahrzeugen im Wege der Inhaltsänderung nicht in Betracht komme.

Eine Duldungspflicht ergebe sich auch nicht daraus, dass früher möglicher Weise eine Gestattung des Befahrens vorgelegen habe, weil es sich insoweit um eine "Leihe" handele, die von der Beklagten konkludent durch das Untersagen der Zufahrt gekündigt worden sei.

Der Hilfsantrag sei ebenfalls auf der Grundlage der zu § 917 BGB entwickelten Grundsätze nicht gerechtfertigt (s.o.). Demzufolge habe auch der Klageantrag zu 2. keinen Erfolg, weil ein Beseitigu...

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