Leitsatz (amtlich)

1. Der Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses umfasst bei Rückabwicklung eines Kaufvertrags über zur Vermietung bestimmte Gewerberäume, der als Steuersparmodell konzipiert war, auch den durch die Rückforderung der zunächst gewährten, in Folge der Rückabwicklung dann jedoch vom Finanzamt zurückgeforderten Steuervorteile entstandenen Schaden.

2. Der Anspruch besteht schon dann, wenn der Rückforderungsbescheid noch nicht rechtskräftig ist, die Steuern auf seiner Grundlage jedoch entrichtet sind. Der Käufer hat jedoch dem Verkäufer, der den Steuerbescheid für falsch hält, die Möglichkeit zu gewähren, über Rechtsbehelfe zu versuchen, die Korrektur des Steuerbescheids zu bewirken.

3. Schadensersatzansprüche auf Ersatz drohender, aber noch nicht eingetretener - weiterer - Steuerrückforderungen kann der Verkäufer noch nicht beziffert, sondern nur über ein Schadenersatzfeststellungsbegehren geltend machen.

4. Anspruch auf entgehende künftige Steuervorteile hat er nicht.

5. Der Käufer hat Anspruch auf Ersatz der zum Erwerb des Objekts aufgewandten eigenen Darlehenszinsen. Er hat jedoch keinen darüber hinausgehenden Anspruch auf Verzinsung des fremdfinanzierten Kapitals.

 

Normenkette

BGB §§ 280-281; BGB a.F. § 635

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 29.06.2009; Aktenzeichen 2 O 397/2007)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 26.01.2012; Aktenzeichen VII ZR 154/10)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 29.6.2009 - 2 O 399/07 - abgeändert und neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger 109.817,30 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 8.1.2008 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz tragen die Kläger 87 % und die Beklagten 13 % jeweils als Gesamtschuldner. Von den Kosten der I. Instanz tragen die Kläger 2/3 und die Beklagten 1/3 jeweils als Gesamtschuldner.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die andere Partei vorher Sicherheit leistet in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

4. Die Revision wird hinsichtlich der Frage der Schadensersatzpflicht für die entgangenen Steuervorteile in der Vergangenheit zugelassen.

Streitwert: bis 1.11.2009: 273.743,97 EUR

seither: 257.996,18 EUR

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Berechnung des sog. großen Schadensersatzes wegen eines Wohnungskaufs aus dem Jahr 1999.

Die Kläger kauften - auch zum Zweck der Steueroptimierung - im Jahr 1999 von den Beklagten mit Kreditmitteln umzubauende Räume in einem denkmalgeschützten Haus in E ... (Ortsname) und vermieteten diese als Büro. Als sich nach einigen Jahren herausstellte, dass die Räume im Untergeschoss eine für Arbeitsstätten zu niedrige Raumhöhe aufwiesen, die nicht den Bauplänen entsprach, verlangten die Kläger großen Schadensersatz. Im Vorprozess beim LG Stuttgart (Az. 15 O 326/02) wurde rechtskräftig festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, den Klägern den Schaden aus der Rückabwicklung des Kaufvertrags zu ersetzen. Außerdem wurden die Beklagten zur Freistellung von den künftigen Kreditverbindlichkeiten verurteilt.

Im jetzigen Nachfolgeprozess geht es ausschließlich um die Höhe der Ersatzforderung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das LG hat der Klage zum kleineren Teil stattgegeben - Zug um Zug gegen Abtretung von Rückerstattungsansprüchen für die Grunderwerbssteuer - und hat dabei folgende Schadenspositionen als ersatzfähig angesehen (alle Zahlen in EUR):

Finanzierungsaufwendungen 2000 bis 2007

160.887,65

Grunderwerbssteuer

15.747,79

Grundsteuer 2001 bis 2007

6.544,13

Hausgeld in den Jahren 2001 bis 2007

42.637,17

Baubesichtigung/Abnahme (Schätzung)

224,47

Zwischensumme

226.041,21

abzgl. erzielter Mieten 2001 bis 2007

-149.999,53

zugesprochener Betrag

76.041,68

Nicht zugesprochen hat das LG eine Gruppe von drei kleineren Positionen (Teil der Fahrtkosten, Beurkundung, Geldbeschaffung) sowie Architekten- und Rechtsanwaltskosten, was die Kläger hinnehmen.

Weiter hat das LG einen Ersatzanspruch abgelehnt hinsichtlich Steuernachforderungen wegen nachbelasteter AfA - die i.H.v. 122.233 EUR bereits durch Steuerbescheid des Finanzamts N. (Ortsname) vom 15.5.2009 nacherhoben wurden - und wegen zukünftig erwarteten Steuernachforderungen. Diese Nachteile würden durch die den Klägern verbleibenden Steuervorteile kompensiert. Weil die Kläger durch die Entscheidung für großen Schadensersatz und die Ersatzforderung für den geleisteten Kapitaldienst bzw. den Freistellungsanspruch ihre Investitionsentscheidung rückgängig gemacht hätten, könnten sie keine entgangenen bzw. entgehenden Steuervorteile für die Jahre 2008 und 2009 und keine Steuernachteile ...

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