Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 09.06.2017; Aktenzeichen 17 O 773/11)

 

Tenor

1. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 09.06.2017 - Az. 17 O 773/11 - wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge einschließlich der Kosten der Nebenintervention.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert in beiden Rechtszügen: 13.000.000,00 Euro

 

Gründe

A Die Klägerin verfolgt gegen die Beklagte u.a. Unterlassungsansprüche wegen Werbung für Nassrasierer mit einem Testergebnis der Stiftung Warentest.

I. Die Parteien sind Hersteller von Herren-Nassrasierern. Die Klägerin vertreibt ihre Produkte in Deutschland unter der Marke "Wilkinson Sword", die Beklagte als Marktführerin unter der Marke "Gillette".

1. Die Stiftung Warentest, Streithelferin der Beklagten, führte im Jahr 2010 einen Test von Nassrasierern durch, der 15 Rasiersysteme mit Wechselklingen und sieben Einwegrasierer zum Gegenstand hatte. Von den hier streitgegenständlichen Rasiersystemen mit Wechselklingen stammten jeweils fünf von den Streitparteien.

Dem Test war eine Sitzung eines Fachbeirates gemäß § 10 der Stiftungssatzung am 17.02.2010 vorangegangen, dem neben neutralen Sachverständigen und Verbrauchervertretern auch Vertreter der Klägerin und der Beklagten angehörten (Bl. 65, Anlage N 5 = Bl. 83).

Aus den Diskussionsergebnissen erarbeitete die Stiftung Warentest das Untersuchungsprogramm vom 25.03.2010 (Anlage N 7, Bl. 85). Darin sind auch die Kriterien für die Zusammensetzung der Gruppe der Testpersonen genannt, etwa hinsichtlich Alter, Bartwuchs und Hautsensibilität. In diesem Dokument ist zudem ausgeführt, dass jeder Rasierer zwei Mal von jeder Testperson angewandt werden soll. Nicht enthalten sind Informationen über eine Unkenntlichmachung von Markennamen und zum Wechsel der Klingen vor jeder Anwendung.

Das Prüfprogramm wurde am 28.04.2010 u.a. an die Klägerin als teilnehmendes Unternehmen übersandt (Bl. 67). Die Stiftung Warentest räumte Gelegenheit ein, binnen zehn Tagen mitzuteilen, falls "durch dieses Prüfprogramm nicht die für den Verbraucher wichtigen Eigenschaften Ihres Produkts ermittelt werden".

Die Stiftung Warentest kaufte die Rasierer anonym im Handel. Die beiden Spitzenmodelle der Beklagten Fusion ProGlide waren zum Testzeitpunkt in Deutschland noch nicht erhältlich (Bl. 204, 427, 477). Weil auch die Modelle der Klägerin Hydro 3 und Hydro 5 erst kurz vor der Einführung in den deutschen Markt standen (Bl. 131), holte die Stiftung Warentest aus dem Lager der Klägerin zufällig ausgewählte 36 Exemplare der in den Test einbezogenen Geräte und jeweils 48 Klingenpackungen ab (Bl. 67, vgl. Anlage K 6 nebst Rechnung, Bl. 39). Diese Produkte waren mit der nordamerikanischen Marke S versehen (Bl. 133).

Der Test wurde durch das nach den einschlägigen DIN-Vorschriften zertifizierte (Bl. 69) X-Institut im Auftrag der Stiftung Warentest durchgeführt. Nach dem Bericht des Instituts (Anlage N 16, Bl. 365) haben 32 Probanden bis zur Beendigung der Studie teilgenommen, die sich täglich rasiert haben und 21 Probanden, die sich alle drei Tage rasiert haben. Von ihnen hatten vor der Studie knapp die Hälfte (19 Täglichrasierer und sechs Dreitagebärtler) Gillette-Rasierer genutzt und etwa jeder fünfte (7 Täglichrasierer und vier Dreitagebärtler) Wilkinson-Produkte.

Zum Ablauf heiß es in dem Bericht, dass alle Probanden vor Beginn der Studie zwei Wochen lang das Rasiergel mit ihrem eigenen Rasierer testen mussten, um Unverträglichkeitsreaktionen auszuschließen. Die Probanden rasierten unter Aufsicht im Halbseitentest, d.h. bei jedem Besuch im Institut wurden auf beiden Gesichtshälften unterschiedliche Geräte angewandt. Nach einem Randomisierungsplan wurden alle Geräte bei jedem Täglichrasierer je einmal auf der linken und auf der rechten Gesichtshälfte eingesetzt, bei den Dreitagebärtlern nur auf einer Gesichtshälfte (Bl. 71). Beide Rasierer waren bereits ausgepackt und mit einer frischen Klinge ausgestattet bzw. es wurde ein komplett neuer Rasierer bereitgelegt. Die Markennamen waren dabei wie bei dem vorangegangenen Test von Nassrasierern im Jahr 2004 (Bl. 63, 100) nicht unkenntlich gemacht ("verblindet").

Nach den beiden Teilrasuren wurden die Probanden von einer Institutsmitarbeiterin anhand eines Fragebogens befragt. Demnach sollten sie die Gründlichkeit der Rasur mit einer Note zwischen 1 (sehr gut) und 5 (mangelhaft) beurteilen. Weiter wurde u.a. danach gefragt, wie sich die Klingen während dem Rasieren auf der Haut angefühlt haben und ob die Haare in wenigen Zügen entfernt werden konnten. Ferner sollten sie das Gefühl auf der Haut hinsichtlich Hautirritationen beurteilen, ob die Klinge leichtgängig über die Haut gleitet, ob der Rasier...

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