Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 10.03.2017 - 1 O 165/16 - wird

zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 22.355,80 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt die Rückabwicklung eines PKW-Kaufvertrages sowie Schadensersatz.

1. Die Klägerin kaufte am 23.04.2009 bei der Beklagten, die ein Autohaus betreibt und Vertragshändlerin der Volkswagen AG ist, einen neuen Pkw VW Golf 2,0 TDI zum Preis von 23.732,00 EUR (Anl. K 1, Bl. 6 d. A.). Das Fahrzeug wurde am 14.08.2009 übergeben. Es handelte sich dabei um ein Modell, dessen Diesel-Motor mit der Abgasklasse "EURO-5" zertifiziert war (Dieselmotor Typ EA 189 EU5). Die Motorsteuerung dieses Typs war mit einer sog. "manipulativen" Software versehen. Diese erkennt, wenn auf dem Prüfstand Schadstoffemissionen gemessen werden und verändert die Motorsteuerung dann so, dass nur während des Prüfstandlaufs die Schadstoffemissionen zeitlich begrenzt so reduziert werden, dass die Grenzwerte eingehalten werden. Am 20.06.2016 gab das Kraftfahrtbundesamt ein sog. Software-Update frei, mit dem die Motorsteuerung so verändert wird, dass die Emissionen auch im Normalbetrieb so reduziert werden, dass das Fahrzeug weiterhin eingesetzt werden darf. Nach ersten Presseberichten über die manipulative Software im September 2015 erklärte die Klägerin am 19.07.2016 die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung.

Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen,

ihr stünde wegen der genannten manipulativen Motorsteuersoftware ein Anfechtungsrecht nach § 123 BGB zu, da bewusst unrichtige Angaben zu Schadstoffemissionen gemacht worden seien. Zwar habe nicht die Beklagte selbst die Täuschung verübt, sie müsse sich jedoch als Vertragshändlerin der Volkswagen AG insoweit deren Verhalten zurechnen lassen. Die Volkswagen AG sei im Verhältnis zur Beklagten nicht "Dritter" i.S.v. § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB. Das Fahrzeug sei aufgrund der verbauten Software auch mangelhaft. Es verfüge nämlich über eine verbotene Abschaltvorrichtung nach EU-Recht. Die Klägerin müsse sich auch nicht auf die in Aussicht gestellten Nachbesserungsmaßnahmen des Herstellers durch ein Software-Update einlassen.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 22.355,90 EUR zu bezahlen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des PKW VW Golf plus Comfortline 2,0 l TDI, Typ/Modell 52134 K, FIN ..., des Weiteren an die Beklagte zu bezahlen vorgerichtliche Anwaltskosten von 1.242,84 EUR.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des im Klageantrag Ziff. 1 bezeichneten PKW in Verzug befindet.

Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt:

Klageabweisung.

Die Beklagte hat in erster Instanz vorgetragen,

der Klägerin stehe kein Anfechtungsrecht zu, da sie weder von der Beklagten noch der Volkswagen AG arglistig über vertragsrelevante Eigenschaften getäuscht worden sei. Sie, die Beklagte, habe zur Zeit des Verkaufes keinerlei Anhaltspunkte gehabt, dass die streitgegenständliche Software eingebaut gewesen sei. Auch die VW-AG habe nicht getäuscht, da die betroffenen Fahrzeuge nach wie vor über die EURO-5-Zertifizierung verfügten. Selbst wenn man eine Täuschung unterstellen wollte, hafte die Beklagte nicht, da sie eine eigenständige, von der Herstellerin unabhängige juristische Person sei. Die VW-AG sei im Verhältnis zu ihr "Dritter" i.S.d. § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB. Des Weiteren sei die Täuschung nicht kausal für den Abschluss des Kaufvertrages gewesen. Im Übrigen sei das Fahrzeug uneingeschränkt gebrauchstauglich, einsetzbar und zugelassen. Nachteile durch das Software-Update seien nicht zu erwarten. Dieses verursache Kosten von deutlich weniger als 100 EUR und einen Zeitaufwand von weniger als eine Stunde Werkstattaufenthalt. Das Fahrzeug sei im Übrigen aber auch ohne Software-Update nicht mangelhaft.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts sowie die im ersten Rechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften verwiesen.

2. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe weder ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach Anfechtung zu noch ergäben sich vertragliche oder deliktische Schadensersatzansprüche. Eine Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung gehe mangels Anfechtungsrecht ins Leere. Eine Zurechnung des Fehlverhaltens der Herstellerin komme nicht in Betracht, da diese Dritte i.S.v. § 123 Abs. 2 BGB sei. Eine etwaige Wissenszurechnung finde auch aus Billigkeitsgründen nicht statt, nachdem ...

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