Leitsatz (amtlich)

Zum Einwand des Mitverschuldens der Eltern des verletzten Kindes beim Regress des Sozialversicherungsträgers gegen den Schädiger. Zur Haftung im Innenverhältnis (Gesamtschuldnerausgleich) zwischen Eltern und Erfüllungsgehilfen bei mangelhafter Beaufsichtigung des Kindes. Zur Frage der Wirkung eines Anerkenntnisses des Haftpflichtversicherers ggü. dem Geschädigten auch ggü. dem Sozialversicherungsträger.

 

Normenkette

SGB X § 116 Abs. 1 S. 1, Abs. 6; BGB §§ 254, 277-278, 426 Abs. 1, §§ 781, 823, 1664

 

Verfahrensgang

LG Tübingen (Urteil vom 16.03.2010; Aktenzeichen 5 O 147/09)

 

Tenor

I. Das Urteil des LG Tübingen vom 16.3.2010 (Az. 5 O 147/09) wird unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin über den erstinstanzlich zuerkannten und inzwischen bezahlten Betrag (insgesamt 10.721,30 EUR) weitere 5.157,56 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.12.2009 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Kosten, Schäden und Aufwendungen in vollem Umfang (Haftung zu 100 %) zu ersetzen, die der Klägerin aus der Verletzung des J.

(Name, Vorname, Geb. datum ... etc.) entstanden sind und noch entstehen werden.

3. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag von den Anwaltskosten ihres Prozessbevollmächtigten für dessen außergerichtliche Tätigkeit in dieser Sache i.H.v. weiteren 285,60 EUR brutto freizustellen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz und des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 6.567,56 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.1. Die Parteien streiten um auf die Klägerin als gesetzliche Krankenversicherungsträgerin übergegangene Schadensersatzansprüche des bei ihr versicherten Kindes J. H., das vom "Rasen-Traktor" (kleiner Traktor mit Mäheinrichtung an der Unterseite zwischen Fahrersitz und Front) des Beklagten in die Schneidemesser des Mähwerks stürzte und schwer verletzt wurde.

Der am 2.9.2006 noch dreijährige J. H. (Geburtstag: XX. XX. XXXX) lebte gemeinsam mit seinem zwei Jahre älteren Bruder in A. (Ortsname) bei seinen Eltern. Das Nachbarhaus bewohnte der Beklagte mit seiner Ehefrau. Da die Eltern mit den Nachbarn befreundet waren, ließen sie die Kinder wiederholt zum Beklagten, den sie "Opa" nannten. Am 2.9.2006 brachte J. H. (Vater des Geschädigten) seine beiden Söhne auf das ein Stück weiter weg gelegene, vom Beklagten bewirtschaftete größere Gartengrundstück, wo sie - wie bereits auch schon zuvor - beim Rasenmähen dabei sein sollten. J. H. entfernte sich sodann. In der Vergangenheit war den Eltern aufgefallen, dass der Beklagte Kinder auf der Motorhaube seines Traktors mitfahren ("reiten") ließ. Ob sie diese Art der Beförderung der Kinder dem Beklagten für die Zukunft untersagten, ist streitig. Jedenfalls montierte der Beklagte noch vor dem Unfall an das Heck des Traktors eine Holzplattform mit Sitz Rücken an Rücken mit dem Fahrer, auf der zwei Kinder ohne weiteres Platz nehmen und sich an den angebrachten Geländern nebst Griffen halten konnten (vgl. Lichtbild in Anlage B 9 des Beklagten). Der Beklagte setzte J. H. am 2.9.2006 allerdings nicht auf die Plattform, sondern auf die Motorhaube. In einer Linkskurve stürzte J. H. und geriet mit seinem linken Bein unter die rotierenden Messer. Er wurde schwer verletzt. Sehnen wurden durchtrennt, Gewebe und Muskeln bis zum Knochen zerstört. Der sofort notärztlich versorgte J. H. wurde mehrfach operiert. Er hat mehr als einen Monat in der Klinik bei stationärer Behandlung verbringen müssen. Heute geht es dem Kind gesundheitlich wieder recht gut.

Der Beklagte wurde durch Strafbefehl des AG Calw vom 26.2.2007 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 35 EUR verurteilt (Beiakte AG Calw, Az. 2 Cs 19 Js 22793/06).

Auf die von der Klägerin für J. H. aufgewendeten Kosten hat die Haftpflichtversicherung des Beklagten -bis auf wenige streitige Positionen- die Hälfte bis zum Erlass des Urteils in erster Instanz bezahlt. Wegen der Aufstellung der Kosten und der erbrachten Zahlungen im Einzelnen wird auf Bl. 4 u. 5 des Urteils des LG Tübingen vom 16.3.2010 verwiesen.

Der Schriftverkehr betreffend die Regulierung wurde wie folgt abgewickelt:

Die Klägerin beauftragte die G -AG in Berlin mit der außergerichtlichen Geltendmachung der Aufwendungen für J. H. beim Beklagten als Schädiger. Dessen Haftpflichtversicherung, die W (Versicherungs) AG wurde wegen der Ansprüche angeschrieben, lehnte eine Regulierung zunächst aber rundweg ab. Nachdem der Beklagte daraufhin selbst zur Zahlung aufgefordert wurde (Schreiben vom 27.7.2007, Anl. K 3), teilte dessen seinerzeitige Anwältin K ... der G ... AG mit, dass si...

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