Entscheidungsstichwort (Thema)

Kreditvertrag: Wahlrecht des Kreditnehmers zwischen Tilgungsverrechnung und Auszahlung bei überzahlten Zinsen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Fehlen bei einem Verbraucherdarlehensvertrag nach § 492 Abs. 1 S. 5 Nrn. 2, 4 1. Alt. oder 5 BGB erforderliche Pflichtangaben, wird der Vertrag aber nach § 494 Abs. 2 S. 1 BGB wirksam und tritt nach § 494 Abs. 2 S. 2 BGB eine Zinsreduktion auf 4 % p.a. ein, so räumt das Gesetz dem Verbraucher kein Wahlrecht ein, das es ihm erlauben würde, anstelle der Rückforderung der bisher erfolgten Überzahlungen auf die Darlehensraten von der Bank zu verlangen, dass seine bisher erbrachten und künftig von ihm freiwillig zu erbringenden Überzahlungen auf die Darlehenshauptforderung verrechnet wird.

2. Die Vereinbarung eines Annuitätendarlehens bedeutet nicht, dass die Parteien ein solches Wahlrecht vereinbart hätten.

3. Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers eines Verbraucherdarlehensvertrags nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (= § 609a Abs. 1 S. 2 BGB a.F.) führt nicht dazu, dass der Darlehensnehmer deshalb nach § 215 BGB mit verjährten Zinsrückforderungsansprüchen gegen die Darlehenshauptforderung aufrechnen könnte. Die Kündigungsmöglichkeit allein macht die Darlehenshauptforderung nicht erfüllbar.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 26.04.2007; Aktenzeichen 25 O 510/06)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.01.2009; Aktenzeichen XI ZR 504/07)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Stuttgart vom 26.4.2007 (25 O 510/06) abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, die von dem Kläger seit dem 30.6.1996 auf den Darlehensvertrag vom 1.6./17.6.1996 mit der Vertragsnummer ... zu zahlenden Raten mit einem Zinssatz von 4 % nominal neu zu berechnen und dem Kläger die Berechnung zur Verfügung zu stellen.

2. Es wird festgestellt, dass der Kläger aus dem Darlehensvertrag vom 1.6./17.6.1996 mit der Vertragsnummer ... bis zur vollständigen Tilgung des Darlehens lediglich Zinsen i.H.v. 4 % schuldet.

3. Der Hauptantrag des Klägers wird abgewiesen.

II. Die Kostenentscheidung - auch über die Kosten der ersten Instanz - bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Umsetzung einer aus § 6 Abs. 2 VerbrKrG folgenden Absenkung des Zinssatzes für einen Verbraucherkredit auf 4 % p.a.

I.1. Der Kläger wollte als Verbraucher eine Beteiligung an einem Fonds finanzieren. Hierzu schlossen die Parteien am 1.6./17.6.1996 einen Darlehensvertrag über 105.000 DM ab (Anlage 1 zur Klage = Bl. 8 ff. d.A.). Das Darlehen sollte eine Laufzeit bis zum 30.5.2016 haben. Der Zinssatz wurde für die ersten 5 Jahre mit nominal 6,15 % p.a. vereinbart, was unter Berücksichtigung eines Disagios von 10 % einen anfänglichen effektiven Jahreszins von 9,12 % ergibt. Die Raten waren vom Kläger jeweils am Ende eines Quartals zu zahlen. Eine grundpfandrechtliche Sicherung des Darlehens wurde nicht vereinbart und nicht gestellt.

Zum Erfordernis der Gesamtbetragsangabe nach § 4 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 lit. b VerbrKrG findet sich im Vertrag folgendes:

"Gesamtbetrag aller Zahlungen bis zum Ende der Zinsbindung:

Summe aller Zinsen: 30.101,07 DM

Summe aller Kontoführungsgebühren: 300 DM

Summe aller Tilgungen ohne Restschuld: 12.686,43 DM

Zahlungen bis Ende der Zinsbindungsdauer: 43.087,50 DM

Restschuld inkl. Restzins: 92.313,57 DM"

Weiter unten heißt es noch:

"Da die Kosten der noch abzuschließenden Todesfallversicherung/en der ...-Bank KG nicht bekannt sind, können diese nicht angegeben und daher bei der Anrechnung des anfänglichen Effektivzinssatzes nicht berücksichtigt werden."

Im Hinblick auf eine Tilgung des Darlehens finden sich über den Vertrag verstreut folgende Angaben:

"Tilgung: 20 % p.a.

Annuität/Zinsrate 2.139,37 DM (vierteljährlich) ...

Die Restschuld nach 5 Jahren beträgt DM 92.313,57. Die Tilgung erfolgt vereinbarungsgemäß bis 30.5.2016. ...

Sollte der Kreditnehmer die Lebensversicherung (Anm. des Senats: es war eine Risiko-Lebensversicherung vorgesehen) vor Ablauf der Kreditzeit widerrufen oder kündigen, so hat er die ...-Bank so zu stellen, als hätte er von Beginn an ein annuitätisches Darlehen, das eine vollständige Rückführung innerhalb der Gesamtlaufzeit des Kredites gewährleistet, mit einer entsprechend höheren anfänglichen Tilgung aufgenommen. ...

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehensbetrags kein Erstattungsanspruch für den nicht in Anspruch genommenen Teil des Disagios ggü. der ...-Bank besteht. ...

Die Voraussetzung für eine Änderung der preisbestimmenden Faktoren nach Ablauf der Zinsbindungsfrist bestimmt sich nach den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" zum Darlehensvertrag."

Zu einer Zinsänderung heißt es in Ziff. 12 der AGB (Anlage zum Protokoll vom 18.9.2007 = Bl. 273 d.A.):

"(3) Änderung von Zinsen und Entgelten

Die Änderung der Zinsen bei Krediten mit einem veränderlichen Zinssatz erfolgt aufgrund der jeweiligen Kreditvereinbarungen mit dem Kunden. Das Entgel...

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