Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufenthaltsbestimmungsrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. In den Schutzbereich von Art. 6 GG sind sowohl die Großeltern als auch die Pflegeeltern, bei denen sich das Kind längere Zeit aufgehalten hat, einbezogen. Allerdings ist deren Grundrechtsschutz schwächer ausgeprägt als derjenige der leiblichen Eltern.

2. Aus Art. 6 GG ergibt sich kein Anspruch des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Angelegenheiten der elterlichen Sorge unabhängig von der Erfolgsaussicht seines Rechtsmittels.

3. Einstweilige Anordnungen im Sinne des § 621g ZPO müssen den Gegenstand des Hauptsacheverfahrens betreffen. Im Rahmen eines auf die Regelung der elterlichen Sorge beschränkten Beschwerdeverfahrens kann daher keine Umgangsregelung durch einstweilige Anordnung getroffen werden.

 

Normenkette

GG Art. 6; BGB §§ 1666, 1696; ZPO §§ 114, 621g

 

Verfahrensgang

AG Tübingen (Beschluss vom 23.07.2004; Aktenzeichen 6 F 713/02)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 20.01.2005; Aktenzeichen 1 BvR 2717/04, 1 BvR 2748/04)

 

Tenor

1. Die Beschwerden beider Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tübingen – Familiengericht vom 23.07.2004 (6 F 713/02) werden

zurückgewiesen.

2. Die Anträge beider Antragstellerinnen auf einstweilige Anordnung werden

abgelehnt.

3. Für das Verfahren in erster Instanz bleibt es bei der Kostenentscheidung im angegriffenen Beschluss. Gerichtskosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Die Antragstellerinnen tragen als Gesamtschuldner die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlichen außergerichtlichen Auslagen der übrigen Verfahrensbeteiligten.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

5. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 3.000,00 EUR. Der Gegenstandswert des Antrags auf einstweilige Anordnung beträgt 500,00 EUR.

6. Den Gegenvorstellungen beider Antragstellerinnen gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren im Beschluss des Senats vom 11.10.2004 wird

keine Folge gegeben.

 

Tatbestand

I.

L. ist das nichteheliche Kind von M. (Antragstellerin Ziff. 2). Das Kind kam am als Frühgeburt zur Welt und musste anschließend in der Universitätskinderklinik Tübingen behandelt werden. Nach der Klinikentlassung wurde L. von der in D. nahe Tübingen wohnenden Pflegefamilie A. aufgenommen, wo er seitdem lebt. Auch die Mutter lebt in D. in einer Mietwohnung. Die am geborene Großmutter von L., Frau L. (Antragstellerin Ziff. 1) lebt in S. In ihrem Haushalt befindet sich der am geborene Halbbruder von L., N.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Tübingen vom 21.08.2002 (6 F 544/02) wurde der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für L. entzogen und das Kreisjugendamt Tübingen als Pfleger eingesetzt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Mutter wurde zurückgenommen.

Im hier vorliegenden Verfahren geht es um die Aufhebung der Teilentziehung des Sorgerechts für L. Beide Antragstellerinnen sind der Auffassung, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Großmutter übertragen werden soll, damit L. aus der Pflegefamilie A. herausgenommen und zu dieser gebracht werden kann. Die Mutter beantragt hilfsweise, das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf sich zu übertragen. Auch in diesem Fall soll L. bei der Großmutter aufwachsen. Die Pflegeeltern A. beantragten beim Familiengericht den Erlass einer Verbleibensanordnung für L.. Nach Verbindung zum vorliegenden Verfahren haben sie noch in erster Instanz diesen Antrag für erledigt erklärt, nachdem das Jugendamt als Pfleger von L. erklärt hatte, eine Herausnahme des Kindes aus der Pflegefamilie sei nicht beabsichtigt.

(…)

Das Familiengericht hat im angegriffenen Beschluss vom 23.07.2004 die Anträge von Mutter und Großmutter auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für L. zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich beide Antragstellerinnen mit ihren rechtlich selbständigen Beschwerden. Die Eheleute A. (Pflegeeltern) beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen. Die Verfahrenspflegerin hat sich im Beschwerdeverfahren dafür ausgesprochen, L. in der Familie A. zu belassen. Auch das Kreisjugendamt Tübingen hat sich für einen Verbleib von L. bei der Erziehungsstelle ausgesprochen (Bericht vom 21.10.2004) und sieht bei einem jetzigen Wechsel von L. zur Großmutter dessen Wohl massiv gefährdet.

Der Senat hat in mündlicher Verhandlung vom 26.10.2004 die Antragstellerinnen, sowie die Pflegemutter persönlich angehört. Auch hat sich der Senat einen persönlichen Eindruck von L. und seinem Halbbruder N. verschafft.

Die Antragstellerinnen verfolgen ihren vorterminlich gestellten Antrag auf Regelung des Umgangsrechts der Großmutter durch einstweilige Anordnung weiter. Dabei stellen sie klar, dass diese Regelung zur Herbeiführung eines leichteren Übergangs von L. von den Pflegeeltern zur Großmutter getroffen werden solle.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerden beider Antragstellerinnen sind statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie haben in der Sache jedoch keinen Erfolg. Auch der Antrag auf einstweilige Anordnung zur Re...

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