Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG können nur Auskünfte beansprucht werden, die zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstands der Tagesordnung der Hauptversammlung erforderlich sind. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften gebietet nicht, das Merkmal der "Erforderlichkeit" in § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG einschränkend auszulegen.

2. Nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG kann die Auskunft über Umstände verweigert werden, die zur Sicherung einer offenen Aussprache innerhalb des Aufsichtsrats der Vertraulichkeit unterliegen. Dies gilt insbesondere für Beschlussanlässe und Beschlussvorschläge.

3. Nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG kann auch im Übrigen die Auskunft über Umstände verweigert werden, deren Offenlegung die Gefahr nicht unerheblicher Nachteile für die Gesellschaft mit sich bringt. Das daraus folgende Diskretionsinteresse der Gesellschaft kann zwar durch ein Aufklärungsinteresse überwogen werden, wenn bestimmte Tatsachen vorliegen, die den hinreichenden Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung der Verwaltung begründen. Dies setzt aber zum einen voraus, dass gerade die geforderten Auskünfte geeignet sind, den Verdacht zu bestätigen oder zu erhärten. Zum anderen muss der Auskunft begehrende Aktionär zumindest Tatsachen darlegen, aus denen nicht nur die theoretische Möglichkeit, sondern die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Pflichtverletzung folgt.

4. Der Auskunftsanspruch das Aktionärs aus § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG richtet sich zwar auf eine sachlich zutreffende Auskunft. Der Aktionär kann sich im Auskunftserzwingungsverfahren aber nicht mit der schlichten Behauptung begnügen, die in der Hauptversammlung erteilte Auskunft sei unrichtig gewesen. Er muss zumindest bestimmte Tatsachen vorbringen, aus denen nicht nur die Möglichkeit, sondern die Wahrscheinlichkeit der Unrichtigkeit der erteilten Auskunft folgt.

5. Der Auskunft begehrende Aktionär genügt seiner Vortragslast nach den vorstehenden Ziff. 3 und 4 weder durch die Bezugnahme auf Presseberichte, die lediglich Mutmaßungen und Spekulationen der jeweiligen Autoren enthalten, noch durch den pauschalen Verweis auf die Unterlagen eines noch nicht abgeschlossenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens.

 

Normenkette

AktG §§ 131-132; SE-VO Art. 9; FamFG § 26

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 17.05.2011; Aktenzeichen 32 O 33/10 KfH AktG)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 14.01.2014; Aktenzeichen II ZB 5/12)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG Stuttgart vom 17.5.2011 - 32 O 33/10 KfH, wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 20.000 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Die Antragstellerin, ein eingetragener Verein, begehrt als (Vorzugs-)Aktionärin der Antragsgegnerin die Verpflichtung des Vorstands zur Erteilung von Auskunft auf 20 Fragen, die in der ordentlichen Hauptversammlung am 29.1.2010 gestellt wurden.

I.1. Zu den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen der Antragsgegnerin ist anzumerken:

a) Die Antragsgegnerin ist eine börsennotierte Gesellschaft in der Rechtsform der Europäischen Gesellschaft (SE). Sie ist im Jahr 2007 durch Umwandlung der P AG entstanden, wobei der operative Geschäftsbetrieb auf eine andere Aktiengesellschaft ausgegliedert wurde, die in P AG umfirmierte und bis zum Ende des Geschäftsjahrs 2008/2009 eine einhundertprozentige Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin war (im Folgenden P AG).

b) Nach der im Geschäftsjahr 2008/2009 geltenden Fassung der Satzung reichte ihr Geschäftsjahr jeweils vom 01.08. eines Jahres bis zum 31.07. eines Folgejahres. § 2 der Satzung bestimmt den Unternehmensgegenstand der Antragsgegnerin wie folgt:

"§ 2 Gegenstand des Unternehmens

(1) Gegenstand des Unternehmens ist die Leitung von Unternehmen und die Verwaltung von Beteiligungen an Unternehmen, die insbesondere in folgenden Geschäftsfeldern tätig sind:

  • Entwicklung, Konstruktion, Herstellung und Vertrieb von Fahrzeugen, Motoren aller Art und anderen technischen Erzeugnissen sowie von Teilen und Baugruppen für die genannten Produkte;
  • Beratung auf dem Gebiet der Entwicklung und Fertigung, insbesondere im Bereich des Fahrzeug- und Motorenbaus;
  • Beratung und Entwicklung der Datenverarbeitung sowie die Erstellung und der Vertrieb von Erzeugnissen der Datenverarbeitung;
  • Vermarktung von Waren unter Nutzung von Markenrechten;
  • Erbringen von Finanzdienstleistungen.

Die Tätigkeit des Unternehmens umfasst insbesondere den Erwerb, das Halten und Verwalten sowie die Veräußerung von Beteiligungen an solchen Unternehmen, deren Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung sowie deren Unterstützung und Beratung einschließlich der Übernahme von Dienstleistungen für diese Unternehmen.

(2) Die Gesellschaft kann in den genannten Geschäftsfeldern...

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