Entscheidungsstichwort (Thema)

Fiktives Ehezeitende bei langer Trennungszeit und Kindesbetreuung durch den Ausgleichsberechtigten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Durchführung des Versorgungsausgleichs nach Art. 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EGBGB steht auch eine sehr lange Trennungszeit der Ehegatten nicht entgegen, wenn der Ausgleichsberechtigte in einem erheblichen Zeitraum noch minderjährige gemeinsame Kinder betreut und versorgt hat.

2. Eine nicht anerkennungsfähige ausländische Ehescheidung ist nicht geeignet, die Ehezeit des Versorgungsausgleichs i.S.d. § 1587 Abs. 2 BGB zu modifizieren. Maßgeblich ist die gesetzliche Ehezeit, deren Ende sich aus der Zustellung des Scheidungsantrags im inländischen Scheidungsverfahren ergibt.

 

Normenkette

EGBGB Art. 17 Abs. 3; BGB §§ 127a, 1587c, 1587o

 

Verfahrensgang

AG Ludwigsburg (Urteil vom 23.02.2007; Aktenzeichen 2 F 750/06)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird Ziff. II des Urteils des AG Ludwigsburg - FamG - vom 23.2.2007 (2 F 750/06) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

II. Vom Versicherungskonto Nr. ... des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg werden Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 308,84 EUR monatlich - bezogen auf den 30.6.2006 - auf das Versicherungskonto der Antragsgegnerin Nr. ... bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg übertragen.

Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

2. Bei der Kostenentscheidung erster Instanz bleibt es. Von der Erhebung der Gerichtsgebühr wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Beiden Parteien (dem Antragsteller zur Rechtsverteidigung) wird ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt und der Antragsgegnerin Rechtsanwalt G. sowie dem Antragsteller Rechtsanwalt W. beigeordnet.

Beschwerdewert: 1.000 EUR.

 

Gründe

I. Der am 1.3.1957 geborene Antragsteller und die am 8.6.1960 geborene Antragsgegnerin haben am 24.12.1977 die Ehe geschlossen. Aus der Ehe sind fünf Kinder, F., geb. 9.11.1978, H., geb. 17.12.1979, H., geb. 8.7.1982, E., geb. 14.4.1987 und E., geb. 13.4.1989 hervorgegangen, die von der Antragsgegnerin betreut und versorgt wurden. Beide Ehegatten haben die türkische Staatsangehörigkeit. Sie lebten seit ihrer Eheschließung ununterbrochen in Deutschland. Die Trennung erfolgte im Jahre 1993. Am 13.7.2006 ist der Antragsgegnerin der zur rechtswirksamen Scheidung führende Scheidungsantrag des Antragstellers zugestellt worden.

Der Antragsteller hatte bereits zuvor in seiner türkischen Heimat am 9.10.1998 beim LG in Dinar - Az.: 1997 ..., Urteilsnr ... - die Scheidung seiner Ehe aussprechen lassen. Diesem Urteil war nach Art. 7 § 1 FamRÄndG die Anerkennung zu versagen und auf Antrag der Antragsgegnerin die Nichtanerkennungsfähigkeit auszusprechen, weil der Antragsgegnerin die Einleitung des Verfahrens nicht mitgeteilt worden ist und sie sich deswegen auf das Verfahren nicht einlassen konnte und nicht eingelassen hat. Von einer ordnungsgemäßen und rechtzeitigen Zustellung der Klagschrift im dortigen Verfahren an die Ehefrau konnte nicht ausgegangen werden, so dass sie sich im dortigen Verfahren nicht verteidigen konnte, obwohl sie das möglicherweise gewollt hätte (§ 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).

Das AG hat die Ehe der Parteien durch Urteil vom 23.2.2007 geschieden und den Versorgungsausgleich in der Weise geregelt, dass es - bezogen auf den 30.6.2006 - zu Lasten des Versicherungskontos des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg monatliche Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 173,93 EUR auf das Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg übertragen hat.

Das FamG hat bei seiner Entscheidung für die gesetzlichen Rentenanwartschaften der Eheleute eine Ehezeit vom 1.12.1977 bis 31.10.1997 (fiktiv) angenommen und damit gekürzte Anwartschaften beim Ehemann mit 483,04 EUR und bei der Ehefrau mit 135,19 EUR zugrunde gelegt. Unter Berücksichtigung der in der Ehezeit gem. § 1587 Abs. 2 BGB tatsächlich erworbenen Anwartschaften (Ehemann 765,59 EUR und Ehefrau 147,92 EUR) hätte sich ein Ausgleichsbetrag i.H.v. monatlich 308,84 EUR errechnet. Dies rügt die Beschwerdeführerin. Sie verlangt den vollständigen Ausgleich aller erworbenen Anwartschaften für eine Ehezeit bis 30.6.2006.

Gegen die ihr am 27.2.2007 zugestellte Entscheidung hat sie am 22.3.2007 Beschwerde eingelegt und diese am 12.4.2007 begründet. Sie begehrt die Abänderung der getroffenen Entscheidung über den Versorgungsausgleich. Der Antragsteller verteidigt die ergangene Entscheidung.

Der Senat entscheidet im schriftlichen Verfahren ohne erneute mündliche Anhörung der Beteiligten. Eine erneute mündliche Verhandlung war nicht geboten, nachdem den Beteiligten rechtliches Gehör gewährt worden ist, der Sachverhalt ausreichend aufgeklärt ist und eine Vereinbarung der Parteien nicht zu erwarten...

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