Entscheidungsstichwort (Thema)

Familiensache. Kindesunterhalt. Prozeßkostenhilfe für die 2. Instanz

 

Leitsatz (amtlich)

Allein die Tatsache, dass der Unterhaltspflichtige den Mindestbedarf des Kindes wegen langfristiger Hausschulden nicht in vollem Umfang decken kann (dass also wegen dieser Schulden ein sogenannter Mangelfall vorliegt), rechtfertigt es nicht, eine unterhaltsrechtliche Obliegenheit des Pflichtigen zur Stellung eines Verbraucherinsolvenzantrags anzunehmen und ihn, solange er einen solchen nicht gestellt hat, als leistungsfähig in Höhe des Mindestbedarfs zu fingieren.

 

Normenkette

BGB § 1603; InsO §§ 258 ff.

 

Beteiligte

Isabella Kraft

Peter Kraft

Rechtsanwälte Kabus und Kollegen

Rechtsanwälte Schuler und Wilde

 

Verfahrensgang

AG Bad Saulgau (Aktenzeichen 1 F 58/01)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die beabsichtigte Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Bad Saulgau vom 8.8.2001 wird

zurückgewiesen.

 

Gründe

Die beabsichtigte Berufung der Klägerin wäre zwar an sich statthaft, hat jedoch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen im familiengerichtlichen Urteil Bezug genommen. Auch das zweitinstanzliche Vorbringen rechtfertigt kerne andere Entscheidung.

In zweiter Instanz erhebt die Klägerin nur (noch) den Einwand, dem Beklagten sei, um den Mindestbedarf der Kinder in voller Höhe decken zu können, die Stellung eines Verbraucherinsolvenzantrags zuzumuten; solange er dies nicht mache, müsse er als leistungsfähig für den vollen Mindestbedarf behandelt werden. Dieser Einwand greift aus verschiedenen Gründen nicht durch.

Nach den unbestrittenen Feststellungen des Familiengerichts ist der Beklagte, ausgehend von seinem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen in Höhe von 2.548,– DM, nicht in der Lage, den Mindestbedarf seiner beiden aus der Ehe mit der Klägerin stammenden minderjährigen Söhnen Nico, geboren am 23.5.90, und Timo, geboren am 3.1.87, vollständig zu decken, da er – ebenso wie die Klägerin – noch mehrere Jahre eine monatliche Kreditrate von 375,– DM zu zahlen hat, welche daraus resultiert, daß die Parteien im Zusammenhang mit der Scheidung ein in ihrem Miteigentum stehendes Hausgrundstück verkauften, mit dem erzielten Kaufpreis aber nicht alle Kredite zurückführen konnten. Daß diese Kreditrate unangemessen hoch ist bzw. bei bestmöglichen Anstrengungen in Verhandlungen mit der Gläubigerseite noch reduziert werden könnte, wird von der Klägerin nicht behauptet. Auch die grundsätzliche Abzugsfähigkeit dieser aus der Ehe resultierenden Schulden wird von ihr – nach Ansicht des Senats zu Recht – nicht beanstandet.

Die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens würde den Beklagten zum jetzigen Zeitpunkt nicht in die Lage versetzen, höheren als den vom Familiengericht zugesprochenen Unterhalt zu zahlen; sie ist ihm unterhaltsrechtlich auch nicht zuzumuten. Die Einleitung und Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens bringt den Gläubigem von Unterhaltsansprüchen eher Nachteile als Vorteile.

a) Bereits die Einleitung des Verbraucherinsolvenzverfahrens könnte dem Beklagten nicht unerhebliche Kosten verursachen, die seine Leistungsfähigkeit weiter mindern.

b) Pfändungsmöglichkeiten der Unterhaltsgläubiger im Rahmen des § 850 d ZPO bleiben zwar unverändert, der Nachteil des Insolvenzverfahrens besteht aber vor allem darin, daß durch die Regelung des § 35 InsO der Neuerwerb des Schuldners in die Insolvenzmasse einbezogen wird, so daß den Unterhaltsgläubigern die Möglichkeit versperrt ist, in diesen Neuerwerb zu vollstrecken (§ 89 Abs. 1 InsO, vgl. hierzu auch die Ausführungen von Uhlenbruck in FamRZ 98, 1473 ff. im Aufsatz „Insolvenzrechtsreform: Flucht der Schuldner aus dem „modernen Schuldturm” auf Kosten der Unterhaltsberechtigten?”).

c) Ein weiterer Nachteil besteht darin, daß rückständige Unterhaltsforderungen, die zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bestanden, von einer etwaigen Restschuldbefreiung erfaßt werden (vgl. auch hierzu die Ausführungen von Uhlenbruck a.a.O).

d) Das Verbraucherinsolvenzverfahren würde entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht zu einem sofortigen Wegfall der Schulden des Beklagten bei der Bank und damit zu seiner sofortigen „vollen” Leistungsfähigkeit führen. Denn erst nach einem erfolglosen, unter Mithilfe einer Schuldnerberatungsstelle durchzuführenden, erfahrungsgemäß oft länger dauernden außergerichtlichen Einigungsversuch und einem erfolglosen gerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch wird das Verfahren in ein vereinfachtes Insolvenzverfahren übergeleitet, welches dann nach weiteren sieben Jahren (bzw. 5 Jahren bei älteren Schulden) mit der Restschuldbefreiung enden kann.

e) Im vorliegenden Verfahren besteht schließlich ein weiteres Problem, welches der Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens entgegensteht. Nach dem bisherigen Vorbringen der Parteien ist nämlich nicht davon auszugehen, daß der Beklagte derzei...

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