Leitsatz (amtlich)

Das einvernehmliche vorzeitige Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden einer Aktiengesellschaft ist eine unverzüglich zu veröffentlichende Insiderinformation gem. § 37b Abs. 1 WpHG erst, wenn der nach § 84 Abs. 2 AktG ausschließlich zuständige Aufsichtsrat den entsprechenden Beschluss gefasst hat.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 21 O 408/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 25.02.2008; Aktenzeichen II ZB 9/07)

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass durch die Vorgänge im Zusammenhang mit dem vorzeitigen Ausscheiden des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Musterbeklagten, Prof. S., eine Insiderinformation i.S.d. § 37b Abs. 1 WpHG erst am 28.7.2005 um ca. 9.50 Uhr entstanden ist und dass die Musterbeklagte diese unverzüglich veröffentlicht hat.

 

Gründe

A. Das LG Stuttgart verkündete am 3.7.2006 folgenden Vorlagebeschluss (Blatt 411 bis 425 der Beiakten LG Stuttgart, 21 O 408/05), der mit Beschluss vom 20.7.2006 berichtigt wurde (Blatt 432 f. der Beiakten):

"Dem OLG Stuttgart wird das Verfahren zur Herbeiführung eines Musterentscheids gem. § 4 Abs. 1 KapMuG vorgelegt, um im Rahmen des Feststellungsziels - Rechtzeitigkeit der Ad-hoc-Mitteilung über das Ausscheiden des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten Prof. S. - über folgende Anträge (Streitpunkte) zu entscheiden:

Es wird festgestellt,

1. dass spätestens seit Mitte Mai 2005 oder jedenfalls zu irgendeinem späteren Zeitpunkt vor dem 28.7.2005, 10:32 Uhr, insb. seit dem 15.7.2005, jedenfalls seit dem 19.7.2005 oder jedenfalls spätestens seit dem 27.7.2005 durch die Vorgänge im Zusammenhang mit dem vorzeitigen Ausscheiden des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten, Herrn Prof. S., eine Insiderinformation i.S.d. § 37b Abs. 1 WpHG entstanden ist und die Beklagte diese nicht unverzüglich veröffentlicht hat.

2. hilfsweise, dass die Voraussetzungen einer Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG bis zur Entscheidung des Aufsichtsrats am 28.7.2005 um ca. 9:50 Uhr vorgelegen haben.

3. weiter hilfsweise, dass die Beklagte kraft Gesetzes von der Pflicht zur Veröffentlichung nach § 15 Abs. 3 WpHG befreit war, da die Voraussetzungen einer Selbstbefreiung bis zur Entscheidung des Aufsichtsrats am 28.7.2005 um ca. 9:50 Uhr vorgelegen haben.

4. weiter hilfsweise, dass die tatbestandsauschließende Wirkung des § 15 Abs. 3 S. 1 WpHG unabhängig davon greift, ob die Beklagte ihrer Verpflichtung nach § 15 Abs. 3 S. 4 WpHG nachgekommen ist, der BaFin die Gründe für eine etwaig erforderliche Selbstbefreiung mitzuteilen.

5. weiter hilfsweise, dass ein Schadenersatzanspruch nach § 37b Abs. 1 Nr. 2 WpHG im Zusammenhang mit der Ad-hoc-Mitteilung zum vorzeitigen Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens auch dann nicht in Betracht käme, wenn eine formelle Entscheidung über die Selbstbefreiung oder eine Mitteilung an die BaFin erforderlich gewesen sein soll.

6. weiter hilfsweise, dass die Beklagte weder vorsätzlich noch grob fahrlässig die rechtzeitige Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung zum vorzeitigen Ausscheiden ihres Vorstandsvorsitzenden unterlassen hat.

7. dass im Falle der Geltendmachung des Kursdifferenzschadens bei § 37b WpHG die Kläger keinen individuellen Vortrag zur haftungsbegründenden Kausalität darlegen und beweisen müssen.

8. dass in den Schutzbereich des § 37b Abs. 1 WpHG sowohl die Haftung auf Rückgängigmachung der vom Anleger getätigten Anlageentscheidung als auch die Haftung auf die Kursdifferenz fällt.

9. dass der Kursdifferenzschaden nach § 37b WpHG anhand des hypothetischen Kursanstiegs der Aktie der Beklagten nach dem Zeitpunkt zu ermitteln ist, an dem die Beklagte gem. § 15 Abs. 1 WpHG zur Veröffentlichung des vorzeitigen Ausscheidens von Prof. S. verpflichtet gewesen ist.

10. weiter hilfsweise, dass Anleger, die in der Zeit seit Mitte Mai 2005 bis zum 28.7.2005 D. C.-Aktien veräußert haben, als Schadenersatz nicht die Differenz zwischen dem Kurs, zu dem sie ihre Aktien veräußert haben und dem Schlusskurs am 28.7.2005, sondern nur in Höhe eines absoluten Eurobetrages je verkaufter D. C.-Aktie verlangen können, um den der Aktienkurs der D. C.-Aktie am Stichtag des 28.7.2005 nachweisbar in Folge der Ad-hoc-Mitteilung zum vorzeitigen Ausscheiden von Herrn Prof. S. angestiegen ist, da die Anleger andernfalls einen Ersatz für das allgemeine Marktrisiko erhielten.

11. weiter hilfsweise im Hinblick auf die Berechnung des Differenzschadens, in welcher Höhe der Aktienkurs der D. C.-Aktie am 28.7.2005 - ausgedrückt als absoluter Eurobetrag - nachweisbar infolge der Ad-hoc-Mitteilung zum vorzeitigen Ausscheiden von Herrn Prof. S. angestiegen ist."

B.I. Der Musterkläger verlangt (aus abgetretenem Recht) von der Musterbeklagten Schadenersatz (Kursdifferenzschaden durch den hypothetischen Kursanstieg) wegen verspäteter Ad-hoc-Mitteilung über das vorzeitige Ausscheiden des damaligen Vorstandsvorsitzenden der Musterbeklagten, Herrn Prof. S., und die Übernahme der Nachfolge durch Herrn Dr. Z..

Der Aufsichtsra...

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