Leitsatz (amtlich)

Die schuldhafte Verletzung der Anzeigepflicht des § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO durch den Sachverständigen führt nur dann zu einer Kürzung seiner Vergütung, wenn eine erhebliche Überschreitung des angeforderten Auslagenvorschusses gegeben ist. Die Erheblichkeitsgrenze liegt im Regelfall bei 20 bis 25 %. Die Nichteinhaltung dieses Kostenrahmens führt nicht zwangsläufig zur Reduzierung der Sachverständigenentschädigung. Die Kürzung unterbleibt, wenn bei objektiver Würdigung aller Umstände davon auszugehen ist, dass auch bei pflichtgemäßer Anzeige die Gutachtertätigkeit weder eingeschränkt noch ihre Fortsetzung unterbunden worden wäre. Dabei trägt der Sachverständige das Risiko dafür, dass die Möglichkeit der Vermeidung höherer Kosten nicht ausgeschlossen werden kann. Mehrkosten bis zur Erheblichkeitsgrenze sind in keinem Fall zu kürzen, da sie in diesem Umfang nicht der Hinweispflicht unterliegen und deshalb der Zurechnungszusammenhang zur Pflichtverletzung fehlt.

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 08.10.2007; Aktenzeichen 12 OH 10/06)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des LG Stuttgart vom 8.10.2007 - 12 OH 10/06, abgeändert:

Die Vergütung des Sachverständigen/Antragstellers Dipl.-Ing ... wird festgesetzt auf insgesamt 8.750 EUR.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.

III. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

1. In der zugrunde liegenden Beweissicherungssache wurde der Antragsteller durch Beschluss vom 26.7.2006 zum Sachverständigen bestimmt und die Einzahlung eines Kostenvorschusses von 4.000 EUR angeordnet. Mit Schreiben vom 5.9.2006 wurde er mit der Gutachtenerstattung beauftragt, ihm die Vorschusshöhe von 4.000 EUR mitgeteilt und er wurde darauf hingewiesen, dass dem Gericht rechtzeitig eine erhebliche Überschreitung des angeforderten Vorschusses durch die voraussichtlich entstehenden Kosten bekannt zu geben sei. Der Antragsteller bat mit Schreiben vom 21.12.2006 um die Einholung eines weiteren Vorschusses von 3.000 EUR, der eingezahlt wurde. Wegen des Weiteren Inhalts dieser Mitteilung wird auf Blatt 91 d.A. verwiesen. Am 3.5.2007 reichte der Antragsteller seine Kostenrechnung über insgesamt 10.270,40 EUR ein. Nach Auszahlung des Vorschusses von 7.000 EUR und vergeblicher Anforderung des Differenzbetrages von 3.270,40 EUR bei der Antragstellerin des Beweisverfahrens wurde dem Antrag des Sachverständigen vom 28.7.2007 auf Festsetzung der Rest-Vergütung nach Anhörung der Bezirksrevisorin durch Beschluss des LG vom 8.10.2007 nicht entsprochen und die Vergütung auf die Vorschusshöhe von 7.000 EUR beschränkt. Gegen die am 10.10.2007 zugestellte Entscheidung hat der Antragsteller am 5.11.2007 Beschwerde eingelegt.

Der Einzelrichter hat nicht abgeholfen und die Akte dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

2. Die Beschwerde des Antragstellers ist gem. § 4 Abs. 3, Abs. 6 JVEG zulässig und in der Sache teilweise begründet.

Der Sachverständige hat gegen seine Hinweispflicht gem. § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO verstoßen und kann deshalb eine Vergütung nur i.H.v. 125 % des auf seine Veranlassung angeforderten und eingezahlten Vorschusses von 7.000 EUR, damit einen Betrag von 8.750 EUR verlangen.

a) Mit Schreiben vom 21.12.2006 hat der Antragsteller gebeten, zu den bereits eingezahlten 4.000 EUR einen weiteren Vorschusses von 3.000 EUR anzufordern.

Entgegen seiner Auffassung ist diesem Schriftstück nicht zweifelsfrei zu entnehmen, dass sich die voraussichtlichen Kosten auf 8.000 EUR (2/3 von 4.000 EUR × 3) belaufen werden. Es kann ebenso dahin verstanden werden, dass insgesamt 5.333,33 EUR (2/3 von 4.000 EUR × 2) anfallen werden. Unmissverständlich ist allein die Anforderung einer weiteren Vorschusszahlung von 3.000 EUR. Dass die Kosten der Gutachtenerstattung die eingezahlten 7.000 EUR um 3.270,40 EUR und damit um 46,72 % übersteigen werden, hat der Antragsteller entgegen seiner Pflicht aus § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht mitgeteilt.

b) Aus dieser schuldhaften Pflichtverletzung resultiert grundsätzlich nur dann eine Kürzung des Vergütungsanspruchs des Sachverständigen, wenn eine erhebliche Überschreitung des Auslagenvorschusses vorliegt.

Hiervon ist bei höheren Kosten von 20 bis 25 % auszugehen. Diese von der Rechtsprechung (OLGReport Bremen 2006, 150; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.2.2005 - 10 W 98/04; OLGReport Düsseldorf 2003, 263; OLG Nürnberg NJW-RR 2003, 791; OLG Koblenz ZfSch 2002, 134; BayObLG NJW-RR 1998, 1294; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht HVBG-INFO 1998, 2816: 10 %; OLG Celle NJW-RR 1997, 1295; OLG Zweibrücken JurBüro 1997, 96; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen E-LSG B-021: 10 %; OLG Köln MDR 1990, 559; Huber in Musielak, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 407a Rz. 4 und 7; Greger in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 407a Rz. 3 und § 413 Rz. 6; je m.w.N.) festgelegte Grenze wird durch die Kostenrechnung des Antragstellers bei weitem über...

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