Verfahrensgang

LG Stuttgart (Aktenzeichen 24 O 250/20)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 18. August 2020 wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Streitwert des Beschwerdeverfahrens: 4.000,00 EUR

 

Gründe

Die Antragstellerin begehrt die Untersagung einer Löschung bis zu einer Entscheidung über einen geltend gemachten Anspruch auf Auskunft über Bestands- und Nutzerdaten eines Facebookprofils der Nutzerin C bei der Antragsgegnerin.

I. 1. Die Antragstellerin hat als Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg am 24.06.2020 den Abgeordneten Dr. F nach einem vorherigen Ordnungsruf von der Sitzung ausgeschlossen und das Hausrecht schließlich mit Hilfe der Polizei durchgesetzt. Der Abgeordnete hat am gleichen Tage auf seinem Facebookprofil einen Beitrag veröffentlicht,

"Klage gegen A und den Landtag vor dem Verfassungsgerichtshof ist eingereicht. Gegen totalitäre Willkür!",

der von einer Nutzerin C wie folgt kommentiert wurde:

"Ich drücke Ihnen ganz feste die Daumen, diese islamische sprechpuppe gehört schon mal garnicht in ein deutsches Parlament."

"Auch wenn es dieser islamischen sprechpuppe nicht passt! Die hat hier nix zu sagen!"

Die Antragstellerin macht im Wege einer einstweiligen Verfügung die Unterlassung der Löschung von Bestands- und Nutzerdaten bis zur Entscheidung über die Auskunft geltend, weil es sich bei diesen Aussagen um Beleidigungen im Sinne von § 185 StGB handle.

2. Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit Beschluss vom 18. August 2020 zurückgewiesen. Die Äußerungen der Nutzerin C hätten einen Bezug zu dem kommentierten Beitrag, weshalb aufgrund der konstituierenden Bedeutung der Meinungsfreiheit der Persönlichkeitsschutz zurücktreten müsse.

3. Mit Schriftsatz vom 21. August 2020 hat die Antragstellerin Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags erhoben. Der Beschluss habe die Bezugnahme der Beleidigungen nicht begründet, diese sei auch nicht ersichtlich. Der Bezug zu dem Beitrag könne nicht geeignet sein, das Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin auszuhebeln, weil dann qua definitionem jeder Kommentar zulässig würde. Die Antragstellerin werde als islamische Sprechpuppe beleidigt.

4. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die Bezeichnung als islamische Sprechpuppe könne noch nicht als Schmähkritik angesehen werden, weil eine Schmähung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erst gegeben sei, wenn eine Äußerung keinen Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung aufweise und es nur noch um das grundlose Verächtlichmachen der Person als solcher gehe. Hier ergebe sich der Bezug aus der Auseinandersetzung mit der Berechtigung zum Ausschluss von Dr. F aus dem Parlament.

5. Die Antragstellerin hat zum Nichtabhilfebeschluss nochmals mit Schriftsatz vom 3.9.2020 eingehend Stellung genommen und dezidiert die Auffassung vertreten, dass der fraglichen Äußerung jeglicher Sachbezug fehle und allein auf die Herabwürdigung und Diffamierung der Antragstellerin abziele.

II. Die Beschwerde ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis mit knappen, aber zutreffenden Erwägungen ausgeführt, dass die Aussage in den Beiträgen zwar die Persönlichkeitsrechte der Antragstellerin verletzt hat, die Grenzen der Schmähkritik, Formalbeleidigung oder Menschenwürdeverletzung nicht erreicht sind, weshalb die Aussage nach einer Abwägung als zulässige Meinungsäußerung hinzunehmen ist (wobei der Senat die Verwendung des Begriffs einer "islamischen Sprechpuppe" nicht nachvollziehen kann).

1. Das Bundesverfassungsgericht, der Bundesgerichtshof und dem folgend auch der Senat gehen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass herabsetzende oder ehrverletzende Meinungsäußerungen nach Abwägung mit einer Persönlichkeitsrechtsverletzung gegebenenfalls hinzunehmen sind, die Meinungsfreiheit ohne eine Abwägung nur bei einer Schmähkritik, Formalbeleidigung oder einer Verletzung der Menschenwürde zurückzutreten hat. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu erst am 19. Mai 2020 vier grundlegende Entscheidungen veröffentlicht, in denen die maßgeblichen Grundsätze seiner Rechtsprechung nochmals dargestellt und zusammengefasst worden sind (BVerfG NJW 2020, 2622 - 2639). Der Senat nimmt auf diese Entscheidungen Bezug.

Danach gilt zusammengefasst folgendes: Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG hat jeder das Recht, seine Meinung frei zu äußern, das Grundrecht schützt auch polemisch oder verletzende Aussagen. Nach der erforderlichen Ermittlung des Sinns der Äußerung ist eine Abwägung zwischen der in einer Ehrverletzung liegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung und der Meinungsäußerungsfreiheit nur entbehrlich, wenn bei strengen Kriterien von einer Schmähkritik, Formalbeleidigung oder einer Verletzung der Menschenwürde auszugehen ist.

Das Vorliegen von Schmähkritik ergibt sich dabei nicht aus überzogenen, völlig u...

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