Verfahrensgang

LG Stuttgart (Beschluss vom 08.08.2007; Aktenzeichen 20 O 219/07)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 09.12.2009; Aktenzeichen XII ZB 175/07)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Stuttgart vom 8.8.2007 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Beschwerdewert: bis 600 EUR.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten darüber, ob der Antragsteller verpflichtet ist, sich im Rahmen der Kostenfestsetzung auf die für seinen Bevollmächtigten entstandene und grundsätzlich erstattungsfähige gerichtliche Verfahrensgebühr die Hälfte einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr anrechnen zu lassen.

Aufgrund des Beschlusses des LG Stuttgart vom 29.6.2007 hat die Antragsgegnerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8.8.2007 hat die Rechtspflegerin des LG die von der Antragsgegnerin an den Antragsteller zu erstattenden Kosten auf insgesamt 1.394,09 EUR festgesetzt. In diesem Betrag ist u.a. auch die vom Antragsteller für seinen Bevollmächtigten geltend gemachte 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV in voller Höhe berücksichtigt.

Mit ihrer fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde macht die Antragsgegnerin geltend, dass im Kostenfestsetzungsverfahren aufgrund der Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV zu berücksichtigen sei, dass der Bevollmächtigte des Antragstellers für diesen schon vorgerichtlich tätig gewesen sei. Zur Begründung seiner Ansicht beruft sich der Antragsgegnervertreter auf die Entscheidung des BGH vom 7.3.2007 (VIII ZR 86/06).

Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegengetreten.

Die Rechtspflegerin hat das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ohne Abhilfe dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist als sofortige Beschwerde gem. §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 ZPO statthaft und auch sonst zulässig. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.

Die Festsetzung der Rechtspflegerin ist nicht zu beanstanden. Sie hat zurecht und mit zutreffender Begründung die für den Bevollmächtigten des Antragstellers entstandene 1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 als prozessualen Kostenerstattungsanspruch zutreffend in vollem Umfang gegen die Antragsgegnerin in Ansatz gebracht.

Eine Pflicht zur Anrechnung der beim Antragsteller aufgrund vorgerichtlicher Tätigkeit seiner Bevollmächtigten entstandenen Geschäftsgebühr gem. Nr. 2400 RVG-VV (bisher 2300) auf die im gerichtlichen Verfahren angefallene 1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV ergibt sich entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht aus der Entscheidung des BGH vom 7.3.2007 (AGS 2007, 283) und der daran anknüpfenden Entscheidung vom 14.3.2007 (AGS 2007, 289). Beide Urteil betrafen Fälle, in denen der Kläger als Nebenforderung die Geschäftsgebühr aufgrund eines materiellen Schadensersatzanspruchs mit eingeklagt hatte. Dieses Vorgehen hat der BGH aufgrund der Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV als berechtigt beurteilt und im Zusammenhang damit darauf hingewiesen, dass die Anrechnung nach dem Wortlaut der Vorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV erst im Kostenfestsetzungsverfahren des Rechtsstreits erfolge. Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin eine möglicherweise vorgerichtlich angefallene Geschäftsgebühr ihres Bevollmächtigten weder im Hauptsacheverfahren noch in einem anderen Verfahren - als materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruch - geltend gemacht.

Für diese Fallgestaltung entspricht es soweit ersichtlich h.M. im Zivilrecht, dass im Kostenfestsetzungsverfahren auf der Grundlage der gerichtlichen Kostengrundentscheidung nur die prozessual entstandenen Gebühren und damit grundsätzlich die volle Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 RVG-VV zu berücksichtigen ist, soweit diese im Verfahren in voller Höhe entstanden ist. Die Anrechnungsvorschrift gem. Nr. 3 Abs. 4 RVG-VV gilt grundsätzlich nur im Verhältnis zwischen einer Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten. Der Prozessgegner haftet auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten nur nach materiellem Recht. Nur wenn er bereits rechtskräftig zur Zahlung eines solchen materiell-rechtlichen Schadens verurteilt ist oder eine anderweitige bestandskräftige gerichtliche oder außergerichtliche Regelung über einen solchen Anspruch im Verhältnis auch zu ihm vorliegt, kann diese Regelung auch im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden, da vermieden werden soll, dass doppelt tituliert wird und der Kostenschuldner mehr erstatten muss, als der Kostengläubiger seinem Anwalt schuldet.

Auch eine vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr gem. Nr. 2400 RVG-VV ist als materiell-rechtlicher Anspruch einer Partei nur dann im Kostenfestsetzungsverfahren mit zu berücksichtigen, wenn entweder deren Anfall und die Pflicht des Gegners, sie zu tragen, oder wenn jedenfalls die für die Berücksichtigung maßgebenden Tatsachen unstreitig sind (KG AGS...

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