Leitsatz (amtlich)

In einer beim Gebrauchtwagenkauf ohne Einschränkung oder Zusätze abgegebenen Erklärung des gewerblichen Gebrauchtwagenhändlers zu einer bestimmten Kilometerlaufleistung des Fahrzeugs kann die Übernahme einer Beschaffenheitsgarantie liegen.

Will der Verkäufer solche Rechtsfolgen nicht gegen sich gelten lassen, ist er gehalten, eine dahingehende Einschränkung seines Willens zum Ausdruck zu bringen, da sich anderenfalls der Käufer auf die besondere Erfahrung und Sachkunde des Händlers verlässt und in dessen Erklärung die Übernahme einer Garantie sieht.

 

Verfahrensgang

LG Neubrandenburg (Urteil vom 24.11.2006; Aktenzeichen 3 O 55/05)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 24.11.2006 verkündete Urteil des LG Neubrandenburg, Az.: 3 O 55/05, abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.887,40 EUR Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeuges Audi Typ B 5 mit der Fahrgestell-Nr. WAU ZZZ 8 DZ 1A 026984 nebst dem dazugehörigen Fahrzeugbrief sowie Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf den Betrag von 10.887,40 EUR seit dem 25.3.2004 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 6 % und die Beklagte 84 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 13.000 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises für einen - drittfinanzierten - Gebrauchtwagen Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs geltend.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Begründend hat es ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Rücktritt vom Kaufvertrag zu (§§ 437 Nr. 2, 440, 323, 346 Abs. 1 BGB), weil die Beklagte keine Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 Abs. 1 BGB) verletzt habe.

Als Beschaffenheitsvereinbarung käme vorliegend die Zusage einer generellen Unfallfreiheit (über den unstreitigen Heckschaden hinaus) nicht in Betracht. Die Angabe eines bestimmten Schadens führe nicht zu einer Vereinbarung, andere Schäden seien nicht vorhanden. Zwar habe der in den Kaufvertrag aufgenommene Unfallschaden tatsächlich nicht dem tatsächlichen Schadensumfang am Fahrzeug entsprochen, denn ein Vorbesitzer, der Zeuge B ....., habe geschildert, dass er selbst mit dem Pkw einen Totalschaden erlitten habe. Gleichwohl habe die Beklagte für diesen Schaden nicht aufgrund einer Beschaffenheitsvereinbarung oder Beschaffenheitsgarantie (§§ 437 Abs. 1, 443 Abs. 1 BGB) einzustehen. Sie habe das Fahrzeug - unwidersprochen - nicht von dem Zeugen B, sondern einem Autohändler erworben. In einem Inserat sei der Pkw mit einem Heckschaden und einer Gesamtlaufleistung von 77.600 km beschrieben worden. Sie habe das Fahrzeug mit diesem Heckschaden gekauft, repariert und anschließend dem TÜV vorgestellt, durch den keine Mängel festgestellt worden seien.

Aufgrund des ihr bekannten Heckschadens sei der Beklagten als Gebrauchtwagenhändlerin zwar die Pflicht aufgegeben gewesen, weitere Nachforschungen zu dem Schadensbild am Fahrzeug anzustellen. Mit der Reparatur des Fahrzeugs sei sie dieser Untersuchungspflicht nachgekommen, ohne dabei weitergehende Schädigungen gefunden oder aufgespürt zu haben. Sie habe sich mithin durch die Reparatur Gewissheit über das Ausmaß des Schadens verschafft. Über dieses ihr bekannte Schadensmaß habe sie im Kaufvertrag aufgeklärt. Die Beklagte habe somit keinen Wissensvorsprung ggü. dem Kläger gehabt, weshalb nicht angenommen werden könne, sie habe über den Heckschaden hinaus für eine Unfallfreiheit des Fahrzeugs einstehen wollen.

Der insofern beweispflichtige Kläger habe auch nicht nachzuweisen vermocht, dass die Beklagte den Schaden bagatellisiert oder Kenntnis vom tatsächlichen Schadensumfang gehabt habe. Sie, die Beklagte, treffe daher nicht der Vorwurf fahrlässiger Unkenntnis.

Auch wegen des im Kaufvertrag angegebenen Kilometerstandes könne der Kläger keine Rückabwicklung desselben verlangen. Nach der herrschenden Rspr. sei die einfache km-Angabe als Zusicherung einer annähernd großen, in gewissen Toleranzgrenzen variablen Fahrleistung zu behandeln. Die Zusicherung beziehe sich also nicht auf den exakten Kilometerstand. Der Käufer müsse redlich davon ausgehen, dass selbst einem Gebrauchtwagenhändler bei sorgfältiger Prüfung gewisse Abweichungen zwischen der Tachometerangabe und der tatsächlichen Gesamtfahrleistung unbekannt blieben und er dafür keine Gewähr übernehmen wolle. Bei der hier festgestellten Differenz von gut 7.000 km seien die Grenzen für eine tolerable Abweichung noch gewahrt. Hinzu komme, dass der Kilometerstand und die damit verbundene Gesamtfahrleistung für den Entschluss des Klägers zum Kauf nicht maßgeblich gewesen seien. Denn der Kläger habe nicht vorgetragen, dass bei den Kaufverhandlungen zwischen den Parteien über den Tachometerstand bzw. die Laufleistung de...

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