Verfahrensgang

LG Neubrandenburg (Aktenzeichen 3 O 494/05)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs.

Die Klägerin und die Beklagte zu 1) sind Geschwister; der Beklagte zu 2) ist der Ehemann der Beklagten zu 1) Die Eltern der Klägerin und der Beklagten zu 1), G. und G. Sch., waren Eigentümer eines Grundstücks in M. Herr Sch. verstarb im Jahr 1987. Frau Sch., die Klägerin und die Beklagten schlossen am 5.5.1992 einen notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag. Die Beklagten verpflichteten sich als Gesamtschuldner, an die Klägerin 40.000 DM zu zahlen. Die Vertragsparteien waren sich ausweislich des Vertragstextes einig darüber, dass das Eigentum an dem Grundstück auf die Beklagten als Miteigentümer je zur Hälfte übergehen sollte. Sie erklärten - ebenfalls ausweislich des Vertragstextes - die Auflassung und beantragten die Eintragung in das Grundbuch.

Der Beklagte zu 2) war bei der Beurkundung anwesend; er unterschrieb jedoch den notariellen Vertrag nicht. Die Beklagten wurden in der Folge dennoch als Miteigentümer je zur Hälfte in das Grundbuch eingetragen.

Im August 2005 verstarb Frau Sch. In demselben Monat beantragte die Klägerin Prozesskostenhilfe für das vorliegende Verfahren und kündigte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung an. Da der Beklagte zu 2) den notariellen Vertrag vom 5.5.1992 nicht unterschrieben habe, fehle es an einer wirksamen Auflassung. Das Grundbuch sei unrichtig, soweit die Beklagten darin als Eigentümer eingetragen seien. Daher sei ein Widerspruch einzutragen.

Nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat das AG dem Antrag mit Beschluss vom 16.11.2005 stattgegeben; der Widerspruch wurde in das Grundbuch eingetragen. Danach hat das AG die Sache auf Antrag der Parteien an das LG verwiesen.

Nachdem ihm der Beschluss vom 16.11.2005 zugestellt worden war, ließ der Beklagte zu 2) am 14.12.2005 die folgende Erklärung notariell beurkunden: Er habe den notariellen Vertrag vom 5.5.1992 aus Gründen, die er heute nicht mehr nachvollziehen könne, nicht unterschrieben. Die Nichtunterzeichnung sei nur ein Versehen gewesen; und er hole die Unterschrift hiermit nach.

Mit Urteil vom 1.3.2006 hat das LG den Beschluss vom 16.11.2005 aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Klägerin beantragt Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz. Sie möchte mit der Berufung ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgen und vorab die Einstellung der Vollziehung des angefochtenen Urteils ohne Sicherheitsleistung erwirken.

II. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe muss abgelehnt werden, da die beabsichtigte Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO). Das LG hat i.E. richtig entschieden.

1. Die Eintragung eines Widerspruchs setzt voraus, dass der Inhalt des Grundbuchs nicht mit der wahren Rechtslage übereinstimmt (§§ 894; 899 BGB). Das ist u.a. dann der Fall, wenn jemand als Eigentümer eingetragen ist, obwohl die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Eintragung als Eigentümer nicht gegeben waren, beispielsweise weil das Grundstück nicht wirksam an ihn aufgelassen wurde (Wacke in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 894 Rz. 7, m.w.N.). Ist die Auflassung dagegen materiell-rechtlich wirksam erklärt worden, so schadet es nicht, wenn das Grundbuchamt die Beklagten aus formellen Gründen nicht hätte eintragen dürfen. Dadurch wird das Grundbuch nicht unrichtig, wenn die materiellen Voraussetzungen des Eigentumsübergangs vorlagen (vgl. OLG Königsberg, Urt. v. 27.3.1912, OLGE 25, 378 [379]). Ebenso hängt die Richtigkeit des Grundbuchs - um die es hier allein geht - nicht von der Wirksamkeit des zugrundeliegenden schuldrechtlichen Vertrages ab.

Entscheidend ist, ob die Beteiligten eine materiell-rechtlich wirksame Auflassung erklärt haben. Die Auflassung muss bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor einem Notar oder sonst einer zuständigen Stelle erklärt werden (§ 925 Abs. 1 BGB). Sie braucht nicht notariell beurkundet zu werden (vgl. Kanzleiter in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 925 Rz. 15; Staudinger-Pfeifer, BGB, 2004, § 925 Rz. 76). Nach herrschender Meinung kann die Auflassung durch schlüssiges Verhalten erklärt werden, namentlich dadurch, dass der eine Beteiligte die Erklärung der anderen Seite ohne Widerspruch anhört (so: Meikel-Böttcher, Grundbuchrecht, 9. Aufl., § 20 GBO Rz. 117; Kanzleiter in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 925 Rz. 20; Staudinger-Pfeifer, BGB, 2004, § 925 Rz. 86).

2. Demnach hat hier der Beklagte zu 2) die Auflassung erklärt: Der Beklagte zu 2) erschien zum Notartermin. Er gab seine Personalien und seine Personalausweisnummer bekannt oder duldete, dass diese Daten der Notarin mitgeteilt wurden. Und er hörte die Verlesung des seine eigene Auflassungserklärung enthaltenden Vertragstextes durch die Notarin ohne Widerspruch an. Dass der Bekl...

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