Verfahrensgang

LG Neubrandenburg (Urteil vom 16.07.1998; Aktenzeichen 8 O 405/97)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 06.05.1999; Aktenzeichen V ZB 1/99)

 

Tenor

wird die Berufung des Beklagten vom 04.09.1998 gegen das „Zweite Versäumnisurteil” des Landgerichts Neubrandenburg vom 16.07.1998 – Az: 8 O 405/97 – gemäß §§ 519b, 97 Abs. 1 auf dessen Kosten als unzulässig verworfen.

 

Gründe

Die Berufungsbegründung entspricht nicht den Anforderungen des § 519 Abs. 3 ZPO, da nicht dargelegt ist, daß vor dem Landgericht Neubrandenburg im Termin vom 16.07.1998 ein Fall der Säumnis nicht vorgelegen hat (§ 513 Abs. 2 ZPO).

Nach § 513 Abs. 2 S.1 ZPO unterliegt ein Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, der Berufung insoweit, als sie darauf gestützt wird, daß der Fall der Versäumung nicht vorgelegen habe. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Dem Beklagten stand gegen das mit der Berufung angegriffene „Zweite Versäumnisurteil”, durch das der Einspruch des Beklagten gegen das (erste) Versäumnisurteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 12.03.1998 verworfen wurde, gemäß § 345 ZPO der Einspruch nicht zu.

Beide Versäumnisurteile sind ordnungsgemäß erlassen worden. Verfahrensverstöße liegen nicht vor. Unstreitig war der Beklagte sowohl im ersten Termin am 12.03.1998 als auch im zweiten Termin am 16.07.1998 trotz jeweils ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erschienen.

Der Beklagte macht mit seiner Berufung gegen das zweite Versäumnisurteil geltend, die Klage sei zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Einspruch nicht schlüssig gewesen und hätte nicht erlassen werden dürfen.

Ob der Erlaß eines zweiten Versäumnisurteils die Überprüfung der Gesetzmäßigkeit des vorangegangenen ersten Versäumnisurteils und somit die Prüfung der Schlüssigkeit der Klage voraussetzt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.

In der Rechtsprechung verlangen z.B. das BAG (BAG NJW 1971, 1198; 1974, 1103) und das OLG Stuttgart (in MDR 1976, 51) und in der Literatur z.B. Grunsky (in Stein/Jonas, ZPO, Bd. 5/1, 2. Aufl., § 513 Rn 12) und Zöller (in ZPO, 20. Aufl., § 345 Rn 4) im Termin des § 341a ZPO bei zu erwartendem zweiten Versäumnisurteil gegen den Beklagten und seiner Säumnis die Prüfung des Gerichts, ob die Klage schlüssig ist.

Dagegen vertreten in der Rechtsprechung z.B. das OLG Düsseldorf (in MDR 1985, 1034) und das OLG Hamm (in NJW 1991, 1067) und in der Literatur z.B. Prütting (in Münchener Kommentar, ZPO, Bd. 1, 1992, § 345 Rn 9 ff), Rimmelspacher (in Münchener Kommentar, ZPO, Bd.2, 1992, § 345 Rn 5, 18 ff), Hartmann (in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 54. Aufl., § 345 Rn 3) und Albers (in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 54. Aufl., § 513 Rn 6) die Ansicht, daß die Schlüssigkeit der Klage nicht zu prüfen ist.

Die o.g. gegensätzlichen Literaturmeinungen zitieren für ihre Meinung z.T. jeweils die Entscheidung des BGH in seinem Urteil vom 25.10.1990 (BGHZ 112, 367 = BGH NJW 1991, 43).

Tatsächlich aber ist in dem genannten BGH-Urteil die hier maßgebende Frage, ob vor Erlaß des sogenannten zweiten Versäumnisurteils die Schlüssigkeit der Klage erneut (vgl. § 331 Abs. 2 ZPO) zu prüfen ist und ob auch mit der Berufung gemäß § 513 Abs. 2 ZPO geltend gemacht werden kann, das erstinstanzliche Versäumnisurteil hätte mangels Schlüssigkeit des Klagevorbringens nicht ergehen dürfen, nicht entschieden worden. Die Entscheidung behandelte eine andere Fallgestaltung.

Es ging um die Frage, ob die Berufung gegen ein nach Erlaß eines Vollstreckungsbescheids ergangenes zweites Versäumnisurteil darauf gestützt werden kann, daß die Klage im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einspruch unzulässig oder unschlüssig gewesen sei. Dies hat der BGH im Hinblick auf die durch das Gesetz vorgenommene Erweiterung der Prüfungspflicht bei vorausgegangenem Vollstreckungsbescheid (vgl. §§ 700 Abs. 3 S. 3, Abs. 6 ZPO) bejaht. Ähnlich hatte der BGH in seinem Urteil vom 07.12.1978 (BGHZ 73, 87) entschieden. Dort ging es um den Fall, daß der Vollstreckungsbefehl verfahrensrechtlich unzulässig war, da der Rechtspfleger ihn trotz rechtzeitigen Widerspruchs erlassen hatte.

In seinem Urteil vom 16.04.1986 (BGHZ 97, 341) hatte der BGH dagegen zu entscheiden, ob die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil darauf gestützt werden kann, daß bei Erlaß des ersten Versäumnisurteils (im Klageverfahren) ein Fall der Säumnis nicht vorgelegen habe. Diese Frage hat der BGH im Hinblick auf den Sanktionscharakter der §§ 345, 513 Abs. 2 ZPO verneint und in diesem Zusammenhang ausgeführt:

„… Ist somit die durch ein – auch fehlerhaft ergangenes – Versäumnisurteil belastete Partei im Interesse der Verfahrensbeschleunigung zu besonders sorgfältiger Prozeßführung gehalten, ist es nur konsequent, an das erneute – auf schuldhafter Säumnis beruhende – Ausbleiben im nächsten Verhandlungstermin nunmehr die schärfere Sanktion des endgültigen Prozeßverlustes zu knüpfen. …”

Diese Entscheidung zeigt, daß die Fälle der vorangegangenen Vollstreckungsbescheide von denen der...

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