Leitsatz (amtlich)

Zur Bestimmung des durch seinen geschäftsplanmäßigen Vertreter ergänzten Spruchkörper bei der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit (§ 45 Abs. 1 ZPO) und einer unbewussten Regelungslücke im Geschäftsverteilungsplan des Gerichts.

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin vom 06.10.2003, den VorsRiOLG S., die Ri'inOLG B. und den RiOLG K. wegen Besorgnis der Befangenheit abzu1ehnen, wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

1.

Die Klägerin, die gegen den Beklagten – im Wege der Leistungs-und Feststellungsklage – Zuerkennung von Schadensersatz aus einem (aus ihrer Sicht fehlerhaft durchgeführten) ärztlichen Behandlungsvertrag begehrt, hat mit ihrem Ablehnungsgesuch vom 06.10.2003 die Ablehnung des Spruchkörpers des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock begehrt, der – in der Besetzung der wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richter (VorsRiOLG S., Ri'inOLG B. und RiOLG K.) – am 10.09.2003 über ihre Abänderungsanträge vom 12. und 28.08.2003 zum Beweisbeschluss des 8. Zivilsenats vom 18.07.2003 entschieden hat.

2.

Zur Begründung ihres Gesuchs hat die Klägerin in der von ihr gewählten Zusammenfassung (Ss. vom 06.10.2003, Bl. 7f. = GA 941f.) vorgebracht:

Der Beschluss vom 10.09.2003 (GA Bl. 926ff.) zeige deutlich, dass die Klägerin vorbringen könne, was sie wolle, die abgelehnten Richter hätten kein Interesse, dieses Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen. Sie würden damit die Klägerin einseitig in ihren Prozessrechten beeinträchtigen. Insoweit liege ein Verstoss gegen den verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf ein faires Verfahren, ebenso wie eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. Auch die prozessuale Waffengleichheit sei nicht mehr gewahrt.

Die abgelehnten Richter hätten in ihrer – der Anlass zur Besorgnis der Befangenheit gebenden – Entscheidung vom 10.09.2003 die Grundsätze der gebotenen Sachverhaltsaufklärung in einem Arzthaftungsprozess verkannt. Neben viel zu ungenauen Fragestellungen im Beweisbeschluss vom 18.07.2003 würde sich hiermit eine unzureichende Anleitung des mit der Untersuchung der bezeichneten Beweisfragen beauftragten – aber noch nicht namentlich benannten – Sachverständigen paaren. In dem Beweisbeschluss hätten die abgelehnten Richter die Beweisangebote der Klägerin einseitig zu ihren Lasten übergangen und zu ihrem Nachteil in einer Weise abgeändert, dass sie, die Klägerin, die Aufklärung ihrer Beweisfragen nicht mehr mit der gebotenen Intention verfolgen könne. Damit sei der Grundsatz der Dispositionsbefugnis der Parteien im Zivilprozess verletzt. Eine derartige Verfahrensweise der abgelehnten Richter erscheine willkürlich und unfair. Außerdem hätten die abgelehnten Richter die ihnen obliegende Pflicht (§ 404a Abs. 1, 3 und 4 ZPO), den Sachverständigen in seiner Untersuchung durch konkrete Fragen anzuleiten, verletzt. Damit hätten sie – unzulässiger Weise – die beim Gericht liegende Entscheidungsgewalt aufgegeben und sie dem Sachverständigen anheim gegeben. Dies wiederum habe zur Folge, dass der Beweisführer – hier die Klägerin – durch ein Verschulden des Gerichts ihr Beweisziel nicht erreichen könne.

3.

Überdies – so bringt die Klägerin weiter vor – hätten die abgelehnten Mitglieder des 8. Zivilsenats im Beweisbeschluss vom 18.07.2003 §§ 359, 379 ZPO verletzt, §§ 399, 406 ZPO beeinträchtigt, § 404a ZPO zuwidergehandelt, zugleich damit gegen § 141 ZPO verstossen, und auch § 139 ZPO nicht beachtet.

4.

Schließlich begründe auch die von den abgelehnten Richtern in den benannten Entscheidungen verwandte Wortwahl die Besorgnis der Befangenheit. Sie, die Klägerin, fühle sich „verhöhnt” und „verletzt”.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die abgelehnten Richter haben sich je einzelnen über die vorgebrachten Ablehnungsgründe geäußert (§ 44 Abs. 3 ZPO). Der Klägerin ist Gelegenheit gewährt worden, zu diesen Äußerungen Stellung zu nehmen; sie hat davon Gebrauch gemacht (Ss. vom 06.10.2003 [mit offensichtlich falschem Datum, da ihr die gerichtliche Verfügung erst am 01.11.03 zugegangen ist (vgl. GA Bl. 953)], eingegangen am 04.11.03 (GA Bl. 948).

III.

1.

Das Ablehnungsgesuch ist zulässig, und zwar auch soweit es die zusammengefasste Ablehnung aller Mitglieder eines Spruchkörpers, die an einer Entscheidung mitgewirkt haben, zum Gegenstand hat. Denn den Ablehnungsgrund hat die Klägerin – insofern stimmig – aus der Entscheidung höchstselbst hergeleitet (vgl. dazu Stein/Jonas/Bork, 21. Aufl, vor § 41 ZPO Rn. 4; BGHSt 23, 200 = NJW 1970, 478).

2.

a)

Zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch berufen, ist das Gericht, dem der (die) Abgelehnte(n) angehört (bzw. angehören), und zwar ohne dessen (bzw. deren) Mitwirkung (§ 45 Abs. 1 ZPO). In diesem Sinne ist das Gericht gem. Abs. 1 von § 45 ZPO – vorbehaltlich einer anderen Regelung im Geschäftsverteilungsplan (die es in diesem Fall nicht gibt, vgl. Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgericht Rostock für das Geschäftsjahr 2003) – der durch seinen geschäftsplanmäßigen Vertreter ergänzte Spruchkörper des Abgelehnten (bzw. der Abgelehnt...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge