Leitsatz (amtlich)

1. Das analog § 88 Abs. 1 Satz 1 AktG aus der Organstellung folgende gesetzliche Wettbewerbsverbot für den GmbH-Geschäftsführer endet auch in der Gesellschaftsinsolvenz erst mit dem Verlust der Organstellung. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft lässt das Wettbewerbsverbot unberührt.

 

Normenkette

AktG § 88 Abs. 1 S. 1; InsO § 80 Abs. 1

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Rostock vom 18.03.2020, Az.: 6 HK O 5/20, wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I. Für die Darstellung des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf die Sachverhaltsschilderung in dem angefochtenen Beschluss (Blatt 71 ff. d.A.) sowie auf die die Beschwerdeschrift vom 30.03.2020 (Blatt 79 ff. d.A.) Bezug.

Im Beschwerderechtszug ist streitig, ob der Geschäftsführer einer insolventen GmbH auch nach dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung einem - gesetzlichen - Wettbewerbsverbot unterliegt.

II. Die gemäß § 91a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §§ 567 ff. ZPO statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde ist sachlich nicht begründet.

Die Entscheidung des Landgerichts - das der Beschwerde mit Beschluss vom 03.04.2020 (Blatt 85 ff. d.A.) nicht abgeholfen hat - begegnet keinen Bedenken.

Zurecht geht das Landgericht davon aus, das kraft Gesetzes - analog § 88 Abs. 1 Satz 1 AktG (BGH, Urteil vom 16.03.2017 - IX ZR 253/15, NJW 2017, 1749 = GmbHR 2017, 583 [Juris; Tz. 20] m.w.N.) - aus der Organstellung des GmbH-Geschäftsführers folgende Wettbewerbsverbot erlösche nicht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft, sondern erst mit der Beendigung der Organstellung.

1. Dass erst die Beendigung der Organstellung auch das Wettbewerbsverbot entfallen lässt, ist allgemein anerkannt (Schneider, in: Scholz, GmbHG, 12. Aufl. 2018, § 43 Rn. 152 f.; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, Anhang zu § 6 Rn. 20 f.; Sedlmaier/Rüppell, BB 2017, 1923 [1924]). Dabei steht außer Frage und auch zwischen den Parteien außer Streit, dass die Insolvenzeröffnung die Organstellung nicht beendet. Folgerichtig berührt die Insolvenzeröffnung den Fortbestand des gesetzlichen Wettbewerbsverbots nicht (explizit wie hier Fichtelmann, GmbHR 2008, 76 [83]).

2. Das erscheint auch system- und verbotszweckgerecht. Selbst wenn man den rechtlichen Ansatz der Beschwerde zu Grunde legt, nicht die Organstellung als solche begründe - per se - ein Wettbewerbsverbot, sondern es seien die aus der Organstellung regelmäßig folgenden Informationserlangungsmöglichkeiten und Geschäftsleitungsbefugnisse des Geschäftsführers, die das Wettbewerbsverbot rechtfertigen, weil sie dem Geschäftsführer einen spezifischen Sondervorteil im Verhältnis zur Gesellschaft verschaffen würden, besteht kein durchgreifender Grund, auf die Insolvenzeröffnung abzustellen.

a) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin folgt aus § 80 Abs. 1 InsO nämlich nicht, dass nur noch der Insolvenzverwalter für die Gesellschaft tätig werden und auf gesellschaftsbezogene Informationen zugreifen könnte. Entsprechende Möglichkeiten mögen für den Geschäftsführer ab Insolvenzeröffnung - ggf. auch stark - eingeschränkt sein. Sie entfallen aber nicht in Gänze. Es bleibt ein spezifisches Sonderverhältnis zur Gesellschaft bestehen, das den Geschäftsführer zu unveränderter und mit Blick auf die Insolvenzsituation sogar an Bedeutung noch gewinnender Rücksichtnahme auf die Interessen der Gesellschaft verpflichtet.

Schon im Ansatz betrifft § 80 Abs. 1 InsO nicht im eigentlichen Sinne die Rechtsstellung des Geschäftsführers oder generell des jeweiligen Gesellschaftsorgans, sondern diejenige der Gesellschaft selbst. Das (Innen-) Verhältnis der Insolvenzschuldnerin zu ihrem Organ ist nicht Regelungsgegenstand des § 80 Abs. 1 InsO. Da § 80 Abs. 1 InsO tatbestandlich nicht zwischen solchen Gemeinschuldnern, die natürliche Personen sind, und solchen, bei denen es sich um juristische Personen oder (teil-) rechtsfähige Verbände handelt, unterscheidet, kann es hier im Ausgangspunkt nur um das (Außen-) Verhältnis des - ggf. durch sein Organ handelnden - Schuldners zum Verwalter gehen.

Vor diesem Hintergrund ist zurecht anerkannt, dass die organschaftlichen Pflichten des Geschäftsführers gegenüber der insolventen Gesellschaft fortbestehen und durch § 80 Abs. 1 InsO nicht berührt werden (statt aller Kayser/Thole, in: Kayser/Thole, InsO, 09. Aufl. 2018, § 80 Rn. 18 m.w.N.). Schon das spricht systematisch für einen Fortbestand auch des an die Organstellung geknüpften Wettbewerbsverbots.

Hinzu tritt, dass der Insolvenzschuldner über den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung hinaus auch im Anwendungsbereich des § 80 Abs. 1 InsO grundsätzlich weiterhin - am Insolvenzverwalter "vorbei" - Verträge schließen kann. Die Überleitung der Verfügungsmacht auf den Verwalter gemäß § 80 Abs. 1 InsO bewirkt nicht, dass der Schuldner sich selbst - im Fall einer juristischen Person durch sein ...

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