Leitsatz (amtlich)

Zur Frage des Abschlusses eines Kaufvertrages im Rahmen einer Internetauktion, wenn die Vertragsparteien während der laufenden Bietzeit mit deutlich unterschiedlichen Preisvorstellungen erfolglos über einen Vertragsschluss verhandelt haben.

 

Verfahrensgang

LG Aurich (Urteil vom 16.05.2003; Aktenzeichen 3 O 226/03)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.5.2003 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des LG Aurich geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer übersteigt nicht 20.000 Euro.

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegen die Beklagte i.H.v. 5.500 Euro einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht erbrachter Erfüllung aus einem Kaufvertrag über alte, handgeschnitzte chinesische Möbel geltend. Er beruft sich darauf, diese Möbel, die einen Wert von 6.000 Euro besitzen, als Meistbietender bei einer Online-Auktion auf der Grundlage der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Xy … International AG zum Mindestgebot von 100 Euro ersteigert zu haben. Die Beklagte macht geltend, von der Eigentümerin der Möbel mit der Versteigerung zu einem Mindestpreis von 1.000 Euro beauftragt worden zu sein. Bei der Eingabe des Kaufpreises sei ihr ein Fehler unterlaufen, so dass sie statt „1.000 Euro” nur „100,00 EUR” eingetippt habe. Sie hat den Vertrag angefochten Der Tatbestand des angefochtenen Urteils ist dahingehend zu ergänzen, dass die Parteien während der Bietzeit per E-Mail mit deutlich unterschiedlichen Preisvorstellungen über den Abschluss eines Kaufvertrages über die Möbel verhandelt haben. Wegen des Sachverhalts i.Ü. wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das LG hat der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 5.500 Euro nebst gesetzlichen Zinsen verurteilt. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel rechtzeitig begründet.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beide Parteien wiederholen und ergänzen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete, mithin zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung i.S.d. §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO; die gemäss § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch (§§ 437 Nr. 3, 281 BGB) steht dem Kläger nicht zu.

1. Für die Entscheidung kann dahinstehen, ob die Parteien – wovon sie rechtlich ausgehen – aufgrund der Internetauktion (BGH v. 7.11.2001 – VIII ZR 13/01, MDR 2002, 208 = BGHReport 2002, 91 = CR 2002, 213 = NJW 2002, 363 f.; Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 156 Rz. 3) einen Kaufvertrag über die Möbel zu einem Kaufpreis von 100 Euro geschlossen haben oder ob dies nicht der Fall ist. Denn auch wenn ein Vertragsschluss zu bejahen sein sollte, besteht ein Anspruch des Klägers infolge wirksamer Anfechtung seitens der Beklagten nicht.

a) Zum Abschluss eines Kaufvertrages im Wege der Internetauktion ist es deshalb nicht gekommen; weil die Parteien während der Bietzeit umfangreich per E-Mail verhandelt haben. Ein Vertragsschluss ist dabei gerade an den erheblich differierenden Preisvorstellungen der Parteien gescheitert. Die Beklagte hat unter Hinweis auf den ihr von der Eigentümerin der Möbel erteilten Auftrag einen Betrag von 1.500 Euro gefordert, der Kläger hat lediglich 150 Euro angeboten. Daraus ist nicht nur der Schluss zu ziehen, dass der Kläger wusste, dass die Beklagte nicht zu 100 Euro anbieten wollte; unter diesen Voraussetzungen konnte es weiterhin auch unter Beachtung der Besonderheiten einer Internetauktion nicht zu einem Vertragsschluss mit einem dem Gebot des Klägers entspr. Kaufpreis von 100 Euro kommen. Die Beklagte war nämlich nach den Bedingungen der Internetauktion berechtigt, ihr Angebot bei Vorhandensein anzuerkennender Gründe – was hier aus den sogleich folgenden Gründen zu b. der Fall ist – zurückzuziehen; das Einstellen eines Artikels auf die Xy …-Website beinhaltet nur grundsätzlich ein verbindliches Angebot. Die Beklagte hat zwar die Auktion nicht insgesamt abgebrochen; die Mitteilung an den Kläger, 1.500 Euro als Kaufpreis zu fordern, bedeutet inhaltlich aber dasselbe. Es fehlt deshalb an einem übereinstimmende Willenserklärungen von Verkäufer und Käufer voraussetzenden Kaufvertrag.

b) Wird entspr. der Rechtsauffassung der Parteien ein Vertragsschluss zu einem Kaufpreis von 100 Euro unterstellt, so scheitert ein Schadensersatzanspruch des Klägers an der von der Beklagten wirksam erklärten Anfechtung. Dem neben und nach der Internetauktion ge...

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