Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung des Splittingvorteils eines wiederverheirateten Unterhaltsschuldners beim Unterhalt minderjähriger Kinder

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Splittingvorteil eines wiederverheirateten Unterhaltsschuldners muss auch beim Unterhalt minderjähriger Kinder unberücksichtigt bleiben, wenn der Bedarf des neuen Ehegatten aufgrund vorrangiger Ansprüche des Ehegatten aus einer früheren Ehe bei der Bemessung des Unterhalts unberücksichtigt bleibt (Abweichung von BGH v. 11.5.2005 - XII ZR 211/02, MDR 2006, 210 = BGHReport 2005, 1534 m. Anm. Borth = FamRZ 2005, 1817).

2. Einem Unterhaltsschuldner obliegt es auch im Rahmen seiner ggü. minderjährigen Kindern gesteigerten Unterhaltspflicht nicht, ein Insolvenzverfahren einzuleiten, wenn die damit verbundene Einschränkung seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit den Erhalt seines Arbeitsplatzes gefährdet.

 

Normenkette

BGB §§ 1570, 1578, 1610

 

Verfahrensgang

AG Lingen (Urteil vom 28.11.2005; Aktenzeichen 21 F 2269/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 17.09.2008; Aktenzeichen XII ZR 72/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das am 28.11.2005 verkündete Urteil des AG - FamG - Lingen geändert und der Tenor wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage des Beklagten wird das Urteil des AG - FamG - Lingen vom 4.11.2003 dahingehend abgeändert, dass der Beklagte den Klägern für die Monate Januar und Februar 2006 keinen Unterhalt zu zahlen hat und der den Klägern vom 4.5.2005 an zu zahlende Unterhalt bis einschließlich Dezember 2005 und wieder beginnend ab März 2006 auf 40 EUR für die Klägerin zu 1) sowie jeweils 20 EUR für die Kläger zu 2), 3) und 4) herabgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden den Klägern 4/5 und dem Beklagten 1/5 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der 1964 geborene Beklagte ist der frühere Ehemann der Klägerin zu 1) und der Vater der Kläger zu 2)-4). Durch Urteil des AG - FamG - Lingen vom 4.11.2003 (AG Lingen, Urt. v. 4.11.2003 - 21 F 2084/03) wurde er verurteilt, der Klägerin zu 1) nachehelichen Unterhalt i.H.v. 110 EUR, sowie den Klägern zu 2)-3) Kindesunterhalt i.H.v. 58,49 und 41 EUR zu zahlen. Dabei hat das AG dem Beklagten, der mittlerweile eine neue Arbeitsstelle im Gartenbau in S. angenommen hatte, seinen früheren auch durch Überstunden geprägten Verdienst weiterhin zugerechnet und unter Berücksichtigung der von ihm getragenen Schulden ein verteilungsfähiges Einkommen von 258 EUR zugrunde gelegt.

Der seit 2004 in zweiter Ehe verheiratete Beklagte ist im Gartenbau tätig. Er bezieht ein regelmäßiges Einkommen. Geleistete Überstunden werden durch Freizeitausgleich in der kalten Jahreszeit abgegolten. Zu Mitte Januar wurde dem Beklagten gekündigt. Nach vorübergehendem Bezug von Arbeitslosengeld hat er zum 1.3. eine neue Arbeitsstelle angetreten, bei der er zu denselben Bedingungen wie bei seinem alten Arbeitgeber beschäftigt ist.

Auf nach Veräußerung des Hausgrundstücks verbliebene Restschulden leistet der Beklagte unverändert monatlich 250 EUR. Außerdem zahlt er auf Schulden aus der Ehezeit monatlich 50 EUR an seine Mutter. Nachdem er vorübergehend die Zahlungen an die Volksbank eingestellt hatte, haben die Kläger Abänderungsklage mit dem Ziel einer Anpassung ihres Unterhalts an die dadurch erhöhte Leistungsfähigkeit des Beklagten erhoben.

Der Beklagte hat seinerseits eine am 4.5.2005 zugestellte Abänderungswiderklage erhoben. Hierzu hat er ausgeführt, dass er zu Unterhaltszahlungen nicht mehr in der Lage sei. Er brauche sich nicht an seinem früheren Verdienst festhalten zu lassen, seitdem für Überstunden keine Vergütung mehr gezahlt werde. Die Zahlungen an die Volksbank seien nur vorübergehend ins Stocken geraten, da er vordringliche Ausgaben gehabt habe. Zudem müsse er die Kosten für den Umgang mit den Kindern tragen. Sein Umgangsrecht habe er teilweise aufgrund fehlender finanzieller Mittel nicht wahrnehmen können. Seine Ehefrau erziele kein eigenes Einkommen. Der aus der Wiederverheiratung erzielte Splittingvorteil müsse unterhaltsrechtlich unberücksichtigt bleiben.

Durch Urt. v. 12.11.2005 hat das AG - FamG - Lingen die Klage abgewiesen und auf die Widerklage das Urteil des AG - FamG - Lingen vom 4.11.2003 (AG Lingen, Urt. v. 4.11.2003 - 21 F 2084/03) dahingehend abgeändert, dass der Be-klagte den Klägern ab Mai 2005 keinen Unterhalt mehr zu zahlen habe.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Kläger mit ihrer fristgerecht eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung.

Sie führen aus, dass dem Beklagten ein Einkommen von wenigstens 1.508 EUR zuzurechnen sei. Er habe er mit seiner neuen Familie eine in der Nähe seiner Arbeitsstelle liegende Wohnung beziehen können. Zudem obliege es ihm, ein Insolvenzverfahren einzuleiten. Beim Kindesunterhalt sei der Splittingvorteil als weiteres Einkommen zu berücksichtigen.

Die Kläger beantragen, das Ur...

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