Leitsatz (amtlich)

Veranstalter einer Treibjagd sind dafür verantwortlich, dass Dritte nicht durch jagdtypische Gefahren zu Schaden kommen. Sie müssen sich vor Beginn der Treibjagd darüber zu vergewissern, ob sich in dem zu durchjagenden Bereich Nutztiere befinden, welche durch Schüsse oder durchstöbernde Hunde gefährdet werden könnten. Zumindest sind sie verpflichtet, die betroffenen Landwirte von der Treibjagd zu unterrichten, damit diese Vorkehrungen zum Schutz der Tiere treffen könnten. Unterlassen die Veranstalter solche Sicherungsmaßnahmen, haften sie auch für die Schäden, die durch das Einfangen flüchtender Nutztiere entstehen.

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Urteil vom 23.05.2013)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 23.5.2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des LG Osnabrück teilweise geändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch nach Maßgabe einer Haftungsquote von 100 % verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Unfallereignis vom 2.12.2009 noch entstehen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

2. Auf die weiter gehende Berufung des Klägers wird das am 23.5.2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des LG Osnabrück einschließlich des zugrunde liegenden Verfahrens teilweise aufgehoben.

Die Beklagten zu 1) und 2) schulden dem Kläger dem Grunde nach als Gesamtschuldner aus dem Unfallereignis vom 2.12.2009 ohne Berücksichtigung eines Mitverschuldens ein angemessenes Schmerzensgeld.

Die übrige Leistungsklage des Klägers ist dem Grunde nach mit einer Haftungsquote der Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner in Höhe von 100 % gerechtfertigt.

Zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über den Betrag der streitigen Ansprüche der Höhe nach wird der Rechtsstreit an das LG Osnabrück zurückverwiesen.

3. Die Kostenentscheidung einschließlich der Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zu 1) und 2) zur Zahlung von Schadenersatz nach einem Unfall des Klägers aus Anlass einer Treibjagd, die am Mittwoch, den 2.12.2009 von beiden Beklagten mit insgesamt neun Jägern nebst vier Hunden organisiert und durchgeführt worden war. Beide Beklagte sind dabei nicht als Tierhalter oder Tieraufseher tätig geworden. Eine Teilfläche des klägerischen Gehöfts mit einer das Anwesen halbseitig umschließenden Rinderweide befindet sich im Jagdrevier, welches zum Unfallzeitpunkt von den Beklagten zu 1) und 2) gepachtet war.

In erster Instanz hat der Kläger behauptet, auf seinem Anwesen habe er für seinen Schwiegersohn drei Rinder auf einer Weide gehalten. Gleichwohl und in Kenntnis hiervon sei durch die Jagdgesellschaft mit Treibern und Hunden durch die eingezäunte Weide getrieben worden. Zu diesem Zeitpunkt um etwa 15.30 Uhr seien die drei Rinder in Panik geraten, hätten den ordnungsgemäß um die Weide herum errichteten Stacheldrahtzaun durchbrochen und seien auf eine öffentliche Straße zugelaufen. Beim Versuch, die Rinder wieder einzufangen, sei er gestützt und habe sich einen komplizierten Splitterbruch der rechten Hand zugezogen. In erster Instanz hat der Kläger einen Haushaltsführungsschaden in Höhe von 1.856 EUR behauptet und neben diesem Schaden eine Kostenpauschale von 25 EUR, ein angemessenes Schmerzensgeld, vorgerichtliche anwaltliche Kosten von 1.085,04 EUR sowie einen Vorbehalt für materielle und immaterielle Zukunftsschäden geltend gemacht.

Der Einzelrichter der 7. Zivilkammer des LG Osnabrück hat die Klage abgewiesen und dazu im Wesentlichen ausgeführt, selbst bei Zugrundelegung des klägerischen Vortrags stünde dem Kläger kein Schadenersatzanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB zur Seite. Trotz lückenloser Kausalität seien die behaupteten Verletzungen sowie die daraus resultierenden Folgen den Beklagten zu 1) und 2) nicht objektiv zurechenbar. Den typischen Gefahren bei Veranlassung einer Treibjagd hafte nicht das Risiko an, dass sich eine Person einem in Panik davonlaufenden voll ausgewachsenen Rind unter Einsatz seines Körpers seitlich entgegenwerfe, um das Tier abzudrängen. Durch dieses Verhalten habe der Kläger einen von vornherein zum Scheitern verurteilten Versuch zum Aufhalten des Tieres unternommen und damit einen neuen und selbständigen Risikozusammenhang eröffnet, für den er allein verantwortlich sei. Der Kläger habe selbst im erheblichen Maße Einfluss auf die Situation genommen, indem er sich zu einer spontanen Handlung habe hinreißen lassen, die nach Auffassung des Gerichts im großen Maße unvernünftig und im Hinblick auf die Situation unangemessen gewesen sei. Die Beklagten zu 1) und 2) hätten nicht absehen können und müssen, dass sich jemand nach dem Aufscheuchen von Rindern quasi als "menschlicher Rammbock" betät...

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