Leitsatz (amtlich)

1. Es verstößt gegen das Irreführungsverbot des § 3 HWG und ist wettbewerbswidrig (gem. § 4 Nr. 11 UWG), für eine in der medizinischen Wissenschaft umstrittene Blutuntersuchung (IgG-Antikörpertest) zur Bestimmung einer Nahrungsmittelunverträglichkeit zu werben, wenn für den Werbeadressaten nicht hinreichend erkennbar wird, dass das beworbene Untersuchungsverfahren (noch) nicht zu dem in der Medizin allgemein anerkannten Standard gehört und in seiner Wirksamkeit bzw. Zuverlässigkeit (noch) nicht hinreichend gesichert und anerkannt ist. Allein der Hinweis darauf, dass die Krankenkassen die Kosten des Diagnoseverfahrens nicht erstatten, und andere in der Werbung enthaltene Andeutungen genügen hierzu nicht.

2. Zum Schutzzweck des § 11 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HWG.

Ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Nr. 1 HWG ist bei gebotener teleologischer Reduktion zu verneinen, wenn es lediglich um einen Rückgriff auf selbst dem Laien geläufige allgemeine Erkenntnisse geht.

 

Verfahrensgang

LG Oldenburg (Urteil vom 04.05.2005; Aktenzeichen 12 O 575/05)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels das am 4.5.2005 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer (2. Kammer für Handelssachen) des LG Oldenburg teilweise geändert.

Der Verfügungsbeklagten wird es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, untersagt,

im geschäftlichen Verkehr für "IgG-Antikörpertests", insb. das "E.L.I.S.A.-Verfahren" zu werben, wenn dies in einer wie aus der Anlage zum Urteil ersichtlichen Weise geschieht

1. mit Angaben, wonach es möglich ist, Lebensmittelunverträglichkeit mittels eines solchen "IgG-Antikörpertests" festzustellen, insb. wenn dies geschieht unter Verwendung folgender Aussagen:

1.1 "... Diagnose-System zur Charakterisierung von akuten und subakuten Reaktionen auf Nahrungsmittel",

1.4. "... Das Laborergebnis umfasst bis zu 262 Lebensmittel, mit der Befundaufschlüsselung 'verträglich' bzw. 'unverträglichen'",

2. mit Angaben, wonach es möglich ist, Lebensmittelunverträglichkeiten bei Beachtung einer auf den IgG-Antikörpertest, insb. das "E. L. I. S. A.-Verfahren" abgestimmten Ernährungsweise zu behandeln, insb. wenn dies geschieht unter Verwendung folgender Aussagen:

2.1. "Nach dieser Diätphase sollten Sie entweder symptomfrei oder aber in deutlich besserer Verfassung sein",

2.2 "... ist hervorzuheben, dass ohne Berücksichtigung der Ernährungsproblematik die chronische Erkrankung auf Dauer nicht zu heilen ist",

2.3. "... Basis zur gezielten Ernährungstherapie",

3. mit einem oder mehreren der nachfolgenden Anwendungsgebiete: "Migräne, Neurodermitis, chronische Magen-Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, rheumatische Erkrankungen, psychische Störungen, chronische Müdigkeit, Hyperaktivität, Pilzbefall vom Typ "Candida albicans", Gewichtsprobleme, Osteoporose."

4. außerhalb der Fachkreise mit folgendem Hinweis zu werben: "Der Nachweis des spezifischen IgG-Antikörpers auf Nativnahrungsmittel wird mit Hilfe des E. L. I. S. A.-Verfahrens in der letzten 5 bis 10 Jahren in den USA von vielen Allergologen als Screening-Methode bei Verdacht auf eine enterale Allergie mit verzögertem Reaktionsmechanismus durchgeführt."

Der weiter gehende Verfügungsantrag des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens einschließlich der

Berufung tragen der Kläger zu 30 % und die Beklagte zu 70 %.

 

Gründe

I. Der Verfügungskläger (im Folgenden Klägerin) ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insb. die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs, gehört und der als Wettbewerbsverband nach dem Unterlassungsklagengesetz in die Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragen worden ist. Der Kläger nimmt die Verfügungsbeklagte (im Folgenden Beklagte), die ein Labor betreibt und u.a. Blutuntersuchungen auf IgG-Antikörper zur Bestimmung einer Nahrungsmittelunverträglichkeit vornimmt, auf Unterlassung verschiedener auf dieses Untersuchungsverfahren bezogener Werbeaussagen in Anspruch.

Beim Provider T-Online existiert oder existierte zumindest eine Homepage unter der Internet-Adresse "...htm", die auf Grund entsprechenden Vertrags der Beklagten zur Verfügung gestellt und von der Beklagten gestaltet worden war. Auf dieser Homepage ist für das oben genannte Untersuchungsverfahren geworben und u.a. ausgeführt worden, dass bei dieser Blutuntersuchung zur IgG-Bestimmung bis zu 273 Nahrungsmittelprodukte getestet würden, dass es sich bei dem IgG-Test um ein Diagnose-System zur Charakterisierung von akuten und subakuten Reaktionen auf Nahrungsmittel handele. Es gehe dabei um ein immunenzymatisches Testverfahren (E. L. I. S. A.-Test), bei dem der IgG-Titer gegen Nahrungsmittel im Patientenserum bestimmt werde. Es ist außerdem ein Vergleich zu...

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