Leitsatz (amtlich)

›Eine Eigenbedarfskündigung nach § 564 b Abs. 2 Ziff. 2 BGB ist nicht schon dann gerechtfertigt, wenn der Vermieter den Eigenbedarf zugunsten eines Schwagers geltend macht.‹

 

Gründe

Das LG hat beschlossen, einen Rechtsentscheid zu folgenden Fragen einzuholen:

1. Gilt bei der Eigenbedarfskündigung nach § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB der Bruder der Ehefrau des Vermieters als Familienangehöriger?

2. Ist das nicht der Fall, welche weiteren Voraussetzungen müssen erfüllt sein, ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Kündigung annehmen zu können?

Die Vorlage ist nur zum Teil zulässig.

Die vom LG nach § 541 Abs. 1 ZPO als Berufungsgericht zu § 564 b Abs. 2 Ziff. 2 BGB gestellte Frage zu 1), ob ein Schwager des Vermieters zu den Familienangehörigen im Sinne dieser Bestimmung gehört, ist von grundsätzlicher Bedeutung. Ein Rechtsentscheid hierzu ist bislang - soweit ersichtlich - noch nicht ergangen. Die Entscheidung der Vorlagefrage ist, wie die Gründe des Vorlagebeschlusses ergeben, nach Auffassung des vorlegenden Gerichts auch entscheidungserheblich. Das LG will der Klage, falls der Schwager des Klägers zu den Familienangehörigen im Sinne von § 564 b Abs. 2 Ziff. 2 BGB zählt, ohne Beweisaufnahme stattgeben, da es im übrigen die Kündigungsvoraussetzungen als erfüllt ansieht.

In der Sache selbst ist die Vorlage jedoch zu verneinen. Nach Auffassung des Senats kann zumindest in der Regel ein Schwager des Vermieters nicht als Familienangehöriger im Sinne von § 564 b Abs. 2 Ziffer 2 BGB angesehen werden.

Darüber, wie der Begriff des Familienangehörigen zu definieren ist, herrscht Streit. Teilweise wird darunter der in § 8 Abs. 2 II WoBauG bezeichnete Personenkreis verstanden (Erman/Schopp, BGB, 8. Aufl., Rz 10 zu § 564 b; BGB-RGRK/Gelhaar, 12. Aufl., Rz 25 zu § 564 b; früher - bis 40. Aufl. - auch Palandt, BGB, Anm. 7 a) bb) zu § 564 b). Nach der heute herrschenden Meinung (vgl. u.a. Palandt/Putzo, BGB, 51. Aufl., Rz 45 zu § 564 b) wird diese Auslegung jedoch als zu weitgehend abgelehnt und der Kreis der Familienangehörigen bei § 564 b BGB enger gezogen, da die Abgrenzung des Personenkreises nach § 8 Abs. 2 II. WoBauG auf wohnungsbaupolitischen Gesichtspunkten beruht und mit dem Schutzzweck des § 564 b BGB, die möglichen Kündigungsgründe aus sozialen Gründen angemessen zu begrenzen, nicht vereinbar wäre (so insbes. LG Mainz, WuM 1991, 554; vgl. auch AG Springe, WuM 1991, 554). Dieser überzeugend begründeten Auffassung schließt der Senat sich an. Es würde dem vom Gesetzgeber gewollten Mieterschutz zuwiderlaufen, könnte der Vermieter die Kündigung ohne weiteres zugunsten von Personen geltend machen, die nur weitläufig mit ihm verwandt oder verschwägert sind. So wird man zwar die Geschwister des Vermieters zu den Familienangehörigen rechnen können (so Rechtsentscheid des BayObLG vom 24.11.1983, WuM 1984, 14), zumindest aber nicht generell die mit den Geschwistern des Vermieters verheirateten Personen und die Geschwister des Ehegatten des Vermieters (vgl. insbes. LG Mainz aaO.). Ob diese Personen u.U. bei Hinzutreten weiterer besonderer Umstände zu den Familienangehörigen gezählt werden können, etwa dann, wenn ein besonders enger Kontakt zu dem Vermieter besteht, aus dem sich eine moralische Verpflichtung des Vermieters ergibt, dem Angehörigen Wohnraum zu gewähren, bedarf für die unter 1.) gestellte Vorlagefrage keiner Entscheidung.

Die Vorlagefrage zu 2.) ist unzulässig. Der Frage mangelt es schon an der erforderlichen Bestimmtheit. Ihr läßt sich weder unmittelbar noch im Zusammenhang mit der Begründung der Vorlage eindeutig entnehmen, ob das LG für den Fall, daß der Bruder der Ehefrau des Vermieters nicht als Familienangehöriger im Sinne von § 564 b Abs. 2 Ziffer 2 anzusehen ist, bei Hinzutreten besonderer Umstände die Eigenschaft als Familienangehöriger - nach einer im Vordringen befindlichen Auffassung - bejahen will oder ob das Gericht das Vorliegen eines berechtigten Interesses nach § 564 b Abs. 1 BGB prüft. Unabhängig davon ist die Vorlagefrage in jedem Fall deshalb unzulässig, weil das LG ganz pauschal eine abstrakte Rechtsfrage ohne unmittelbaren Bezug zu einem bestimmten Tatsachenstoff gestellt hat. Das Berufungsgericht möchte damit einen Rechtsentscheid herbeiführen, durch den ihm allgemeine Auslegungskriterien, an die Hand gegeben werden, damit der Kläger Gelegenheit erhalten kann, aufgrund eines richterlichen Hinweises seinen Vortrag dementsprechend erst noch zu substantiieren. Das ist aber nicht Sinn eines Rechtsentscheids. Solange der Tatsachenstoff nicht feststeht, läßt sich nicht beurteilen, welche Fragen entscheidungserheblich sind. Das ist aber Voraussetzung für einen Rechtsentscheid. Es ist nicht Aufgabe des OLG als das für den Erlaß von Rechtsentscheiden zuständigen Gerichts, verschiedene Fallkonstellationen theoretisch durchzuspielen, um dem LG allgemeine Auslegungskriterien für rechtliche Hinweise an die Hand zu geben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2994159

DWW 1993, 171

FamRZ 1993, 1437

NJW-RR 199...

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