Leitsatz (amtlich)

Im Anerkennungsverfahren nach EuGVVO ist der Vollstreckungsschuldner auch mit liquiden Einwendungen gegen den titulierten Anspruch ausgeschlossen und auf die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO verwiesen.

 

Verfahrensgang

LG Osnabrück (Beschluss vom 27.01.2006; Aktenzeichen 4 O 2962/05)

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 4. Zivilkammer des LG Osnabrück vom 27.1.2006 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Das LG Osnabrück hat mit Beschluss vom 27.1.2006 ein niederländisches Urteil der Rechtsbank Z. vom 4.1.2005 für vollstreckbar erklärt, in welchem die Beschwerdeführerin verurteilt wird, der Beschwerdegegnerin 1.600 EUR nebst Zinsen sowie weitere Kosten i.H.v. 672,50 EUR zu zahlen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerdeführerin, soweit das Urteil der Rechtsbank Z. über einen Betrag von 1.342,38 EUR hinaus für vollstreckbar erklärt worden ist. Sie verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass in dem gleichen Urteil zu ihren Gunsten ein ihr zustehender Anspruch nebst Zinsen gerichtet gegen die Beschwerdegegnerin tenoriert ist.

Da die Beschwerdegegnerin die titulierte Forderung mit Schreiben vom 8.6.2005 aufgerechnet habe, könne nur noch wegen des überschießenden Restbetrages das Urteil für vollstreckbar erklärt werden.

II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Beschwerdeführerin kann mit dem Erfüllungs- bzw. Aufrechnungseinwand im Klauselerteilungsverfahren nach EuGVVO nicht gehört werden (Art. 45 Abs. 1 EuGVVO). § 12 AVAG ist im Anwendungsbereich der EuGVVO nicht anwendbar. Der Senat hält eine verordnungskonforme Restriktion des Anwendungsbereichs von § 12 AVAG für geboten (Rauscher/Mankowski, EuZPR, Art. 45 Brüssel I VO Rz. 6, m.w.N.; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im Europäischen Rechtsverkehr, S. 442 f.; Hub, NJW 2001, 3145 [3147];Gottwald in MünchKomm, Aktualisierungsband zur 2. Aufl., Art. 43 EuGVVO Rz. 7; Schlosser, EuZPR, 2. Aufl., Art. 43 EuGVVO Rz. 14; Thomas/Putzo/Hüßtege, 27. Aufl., Art. 45 EuGVVO Rz. 3; a.A.: Wagner, IPRax 2002, 75 [83]; Kropholler, EuroZPR, 8. Aufl., Art. 43 EuGVVO Rz. 27, Art. 45 Rz. 6).

Gegen die Berücksichtigung materieller Einwendungen im Klauselerteilungsverfahren nach EuGVVO spricht, dass es an zweitstaatlicher Regelungskompetenz fehlen dürfte (Rauscher/Mankowski, EuZPR, Art. 45 Brüssel I VO Rz. 6), dass mit dem Beschwerdeverfahren den Parteien im Vergleich zum Verfahren nach § 767 ZPO eine komplette Tatsacheninstanz genommen wird (Leutner, Die vollstreckbare Urkunde im Europäischen Rechtsverkehr, S. 281; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im Europäischen Rechtsverkehr, S. 444) und

schließlich dass die mit der EuGVVO erstrebte Beschleunigung und Vereinfachung vereitelt würde. Dies gilt umso mehr, als die materiellen Einwendungen nach § 12 AVAG vielfach das Einfallstor für Fragen ausländischen Rechts darstellen mit der häufigen Konsequenz, dass von Amts wegen eine zeitintensive Beweisaufnahme (§ 293 ZPO) zu diesen Fragen zu veranlassen ist.

Der Senat hält es auch nicht für angezeigt, wenigstens sog. liquide Einwendungen im Beschwerdeverfahren zuzulassen, wie dies vermittelnd vertreten wird (OLG Düsseldorf NJW-RR 2005, 933 [934]; OLG Köln, Beschl. v. 17.11.2004 - 16 W 31/04, OLGReport Köln 2005, 83; Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., Art. 45 EuGVVO Rz. 1; Geimer, IPrax 2003, 337 [338]).

Diese vermittelnde Lösung ist zwar vordergründig praktikabel, weil sie dem Beschwerdegericht gestattet, kurzerhand - nämlich bereits im Klauselerteilungsverfahren - materielle Gerechtigkeit herzustellen, ohne den Beschwerdeführer auf die Vollstreckungsgegenklage verweisen zu müssen. Sie hat allerdings einen bedeutenden Nachteil: Der Vollstreckungsschuldner ist von vornherein im Unklaren, welcher Rechtsbehelf statthaft ist. Macht man die Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs davon abhängig, ob der Einwand liquide ist, ob er also vom Vollstreckungsgläubiger bestritten werden wird, muss der umsichtige Vollstreckungsschuldner schon deshalb immer vorsorglich Beschwerde einlegen (mit vollem Kostenrisiko), weil ihm ansonsten die Ausschlusswirkung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 AVAG droht (Geimer, IPrax 2003, 337 [338]).

Eine Normauslegung, die solche Weiterungen nach sich zieht und den Rechtsanwender, was die Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs betrifft, derart im Unklaren lässt, genügt den Bedürfnissen der Praxis nicht. Dabei ist es nach Ansicht des Senates ohne Belang, ob man die Einwendungen über § 12 AVAG im Verfahren nach EuGVVO berücksichtigen will oder den Weg wählt, dem Vollstreckungsgläubiger das Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen, sobald der Schuldner liquide Einwendungen erhebt (OLG Köln, Beschl. v. 17.11.2004 - 16 W 31/04, OLGReport Köln 2005, 83).

Hinzu kämen abwegige Konsequenzen für das Verfahren nach § 767 ZPO.

Wenn man die Statthaftigkeit der Beschwerde vom Vortrag des Vollstreckungsgläubigers abhängig macht (bestreitet er, so ist die Beschwerde unstatthaft - bestreitet er nicht, so ist der Einwand liquide und die Beschwe...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge