Leitsatz (amtlich)

1. Allein das "einseitige Ausbrechen aus intakter Ehe" rechtfertigt nicht die Annahme einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 Nr. 7 BGB.

2. Eine "verfestigte Lebensgemeinschaft" i.S.v. § 1579 Nr. 2 BGB kann bei Vorliegen besonderer Umstände auch schon nach Ablauf des ersten Trennungsjahres angenommen werden.

 

Normenkette

BGB § 1579 Nrn. 2, 7

 

Verfahrensgang

AG Nordhorn (Beschluss vom 20.09.2011; Aktenzeichen 11 F 219/11 UE)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Nordhorn vom 20.9.2011 teilweise geändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin trennungsbedingten Ehegattenunterhalt für den Monat Dezember 2010 i.H.v. 1.090 EUR und für die Monate Januar 2011 bis einschließlich September 2011 i.H.v. monatlich 1.025 EUR zu zahlen.

Der weiter gehende Antrag wird abgewiesen.

Die weiter gehende Beschwerde der Antragstellerin und die Anschlussbeschwerde des Antragsgegners werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind seit Ende September 2010 getrennt lebende Ehegatten. Die Antragstellerin ist seinerzeit zu ihrem neuen Lebensgefährten Herrn B. gezogen, bei dem sie seitdem lebt und dem sie den Haushalt führt. Die Antragstellerin macht Trennungsunterhalt ab Dezember 2010 geltend. Die Beteiligten haben am 15.6.2000 geheiratet. Für beide ist es die zweite Ehe. Gemeinsame Kinder sind aus ihr nicht hervorgegangen. Die Beteiligten streiten insbesondere darum, ob der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin durch Ausbruch aus einer intakten Ehe verwirkt ist.

Die Antragstellerin hat erstinstanzlich beantragt, ihr für den Monat Dezember 2010 1.130,54 EUR und - nach Steuerklassenänderung - ab Januar 2011 monatlichen Unterhalt von 940 EUR zuzuerkennen. Der Antragsgegner hat Abweisung des Antrags beantragt.

Das AG hat den Antragsgegner verpflichtet, für die Zeit von Dezember 2010 bis September 2011 (bis zum Ende des ersten Trennungsjahrs) 4.100 EUR, d.h. monatlich 410 EUR zu zahlen. Dabei hat es den Unterhalt wegen Verwirkung auf diesen Betrag herabgesetzt. Für die Zeit danach sei der Unterhalt gänzlich verwirkt. Das AG hat die Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Bei dem Antragsgegner sei ein Einkommen von 2.972,16 EUR zugrunde zu legen, die Antragstellerin müsse sich ein fiktives Betreuungsentgelt von 425 EUR anrechnen lassen. Der Quotenunterhaltsanspruch betrage daher rund 1.090 EUR (3/7 × [2.972 EUR - 425 EUR]). Dieser Anspruch sei gem. §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 7 BGB teilweise verwirkt: Dass die Ehefrau eine intime Lebensgemeinschaft mit Herrn B. begründet habe, stelle ein schwerwiegendes Fehlverhalten dar. Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin könne die Ehe bis zur Trennung nicht als gescheitert angesehen werden, auch wenn man die streitigen Umstände als gegeben unterstellte, nämlich ihre Vorwürfe, der Ehemann habe sie unter Alkoholeinfluss öfter als "Miststück" bezeichnet, er habe in Streitgesprächen geäußert, sie solle ausziehen, wenn sie es bei einem anderen besser habe, er habe eine Freundin der Antragstellerin bei Festen als seine Ehefrau vorgestellt, er habe sich Gesprächen mit der Erklärung entzogen, wichtige Fernsehsendungen sehen zu müssen, er habe sie nach der Rückkehr aus der Reha (August 2010) gefragt, wie viele Männer sie gehabt und wie viel Geld sie ausgegeben habe. Ein Ausbruch aus einer intakten Ehe erfordere nicht, dass diese vollintakt und spannungsfrei sei. allein aus dem Umstand, dass es Spannungen und Streit gab, könne nicht geschlossen werden, dass die Ehe schon gescheitert gewesen sei. Gegen eine bereits gescheiterte Ehe sprächen die von der Antragstellerin geschilderten Umstände, dass sich der Antragsgegner bei ihr entschuldigte und sie zum Essen einlud, wenn er sie beleidigt hatte, dass die Eheleute noch im Sommer mehrfach Geschlechtsverkehr hatten und gemeinsam an der Maifeier, einem Schützenfest und zwei Geburtstagen von Kindern teilnahmen. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners sei der Unterhalt aber nicht von Anfang an vollständig zu versagen. Der Antragsgegner habe ein sehr gutes Einkommen und wohne in einer eigenen Immobilie. Die Antragstellerin habe kein eigenes Einkommen und ihr müsse nach zehn Jahren Ehe die Möglichkeit gegeben werden, sich auf die neue Situation einzustellen. Sie könne daher im ersten Trennungsjahr einen Mindestbedarf von 770 EUR entsprechend dem Selbstbehalt für Nichterwerbstätige geltend machen, wovon der Anteil für den Wohnbedarf von 360 EUR jedoch abzuziehen sei, da dieser vom neuen Lebensgefährten gedeckt werde.

Mit der Beschwerde übernimmt die Antragstellerin - zum Teil antragserhöhend - die Unterhaltsberechnung des AG, indem sie nun laufenden Unterhalt von 1.090 EUR statt bisher 940 EUR verlangt und wendet sich im Übrigen gegen die Bewertung des AG, d...

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