Verfahrensgang

AG Aurich (Entscheidung vom 16.12.2022)

 

Tenor

Die Sache wird vom rechts unterzeichnenden Einzelrichter zur Fortbildung des Rechts auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Aurich vom 16.12.2022 wird auf seine Kosten als offensichtlich unbegründet verworfen.

 

Gründe

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen, der als Chirurg arbeitet, wegen vorsätzlicher Nichtvorlage eines Impf- oder Genesenennachweises zu einer Geldbuße von 500 € verurteilt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 OWiG statthaften Rechtsbeschwerde, die er mit der Verfahrens- und Sachrüge begründet hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

Der rechts unterzeichnende Einzelrichter hat die Sache auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, da es sich um die erste Senatsentscheidung im Zusammenhang mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht handelt. Zwar ist die entsprechende Vorschrift mittlerweile nicht mehr in Kraft; es ist aber davon auszugehen, dass bei den Amtsgerichten noch zahlreiche Verfahren anhängig sind, so dass eine Klärung geboten ist.

Die Rechtsbeschwerde lässt aus den zutreffenden Gründen der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen.

Der Senat ergänzt diese Ausführungen allerdings wie folgt:

Soweit der Betroffene geltend macht, ein Verstoß gegen § 20a Abs. 5 Satz 1 IfSG a. F., wonach die in Abs. 1 Satz 1 genannten Personen dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befand, auf Anforderung einen Nachweis nach Abs. 2 Satz 1 vorzulegen hatten, habe für ihn nicht gegolten, da er mangels Impfung über einen derartigen Nachweis nicht verfügt habe, verfängt dieser Einwand ersichtlich nicht. Die entsprechende Regelung sollte nicht nur die Vorlage vorhandener Nachweise sanktionieren. Vielmehr musste (auch) derjenige, der ungeimpft bleiben wollte, bei Fortsetzung der Tätigkeit mit einer bußgeldbewehrten Nachweisanforderung rechnen (vergleiche BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022, 1 BvR 2649/21, juris, Rn. 114). Dass der Betroffene geglaubt haben könnte, er könne der Vorlagepflicht mit dem Argument, er habe keinen entsprechenden Nachweis, entgehen, ist vor dem Hintergrund der vor Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht geführten Diskussion -wie die Generalstaatsanwaltschaft schon zutreffend angemerkt hat - abwegig.

Der Hinweis des Betroffenen, gegen ihn sei ein Betretungsverbot nicht verhängt worden, führt nicht dazu, dass die vorherige Weigerung, einen Impf- oder Genesenennachweis vorzulegen, nicht mit einem Bußgeld sanktioniert werden könnte. Die Möglichkeit des Gesundheitsamtes, trotz Nichtvorlage durch den Beschäftigten, diesen weiterhin seiner Tätigkeit nachgehen zu lassen, ist vom Bundesverfassungsgericht vielmehr lediglich als ein Gesichtspunkt zur Abmilderung des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit, den die zur Erfüllung der Nachweispflicht veranlasste Impfung darstellt, angesehen worden (BVerfG, a. a. O., Randnummer 207, 212, 215).

Insofern hat der Gesetzgeber den vom Betroffenen angeführten Gesichtspunkt, die Aufgabe seiner Tätigkeit als Arzt wäre im Hinblick auf die Patientenversorgung kontraproduktiv gewesen, bereits berücksichtigt und das Gesundheitsamt hier von der genannten Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Auch wenn -wie der Betroffene geltend macht- in anderen Bundesländern Bußgeldbescheide wegen Nichtvorlage von Nachweisen nicht verhängt worden sein sollten, würde dieses nicht zu einem Verstoß gegen Art. 3 GG führen: Der Anspruch auf Gleichbehandlung besteht nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret zuständigen Verwaltungsträger; dieser hat in seinem Zuständigkeitsbereich die Gleichbehandlung zu sichern (BVerwGE 70. Bd., 127, 132; BVerfGE 21. Bd., 54, 68).

Soweit der Betroffene meint, bei der Aufforderung zur Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises habe es sich um einen Verwaltungsakt gehandelt, der mangels Rechtsbehelfsbelehrung noch nicht bestandskräftig geworden sei, sodass hierauf ein Bußgeld nicht habe gestützt werden können, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Er schließt sich vielmehr den ausführlich begründeten Beschlüssen des OVG Lüneburg vom 22.06.2022 (14 ME 258/22) und des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 13.6.2022 (1 B 28/22), jeweils juris, an, wonach es sich um eine unselbständige Verfahrenshandlung im Sinne des § 44 a VwGO gehandelt hat. Auf die jeweiligen Begründungen wird insoweit verwiesen.

Auch der Einwand des Betroffenen, ein Festhalten am Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.4.2022 sei in keiner Weise mehr zu rechtfertigen, greift nicht durch. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des Aufforderungsschreibens des Landkreises vom 13.07.2022. Am 27.04.2022 h...

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