Verfahrensgang

LG Oldenburg (Aktenzeichen 11 O 2439/01)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 30.5.2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Kammer für Handelssachen des LG Oldenburg wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz beträgt 10.570,89 Euro.

 

Gründe

1. Die Parteien streiten darüber, wer verantwortlich dafür ist, dass Parkettfußboden, den die Klägerin nach Estricharbeiten der Beklagten verlegt hat, sich alsbald wölbte und riß. Das LG hat der primär auf abgetretene Ansprüche des Bauherrn gestützten Klage überwiegend stattgegeben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, aufgrund der Anhörung des bereits im Beweissicherungsverfahren beauftragten und eines weiteren Sachverständigen stehe fest, dass schadensursächlich eine zu dünne, von der Beklagten über dem Betonboden verlegte Dampfsperrfolie sei. Hingegen könne nicht festgestellt werden, dass die von der Klägerin vor der Verlegung des Parketts aufgebrachte Spachtelschicht mitschadensursächlich sei oder dass die Klägerin auf Mängel der Vorarbeiten hätte hinweisen müssen. Die Beklagte macht mit der Berufung u.a. geltend, entgegen der Feststellung des LG habe nicht sie, sondern der hierfür als Zeuge benannte Bauherr die mangelhafte Folie entweder in Eigenleistung verlegt oder durch andere Fachleute verlegen lassen.

Der Senatsvorsitzende hat gem. § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen. Denn bei der Behauptung, die Beklagte habe die Folie nicht selbst eingebracht, handele es sich um neues Vorbringen, und entgegen §§ 520 Abs. 3 Nr. 4, 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO würden keine Tatsachen bezeichnet, aufgrund derer dieses neue Vorbringen zuzulassen sein könnte; auch die übrigen Berufungsangriffe seien unbeachtlich.

In ihrer Stellungnahme zu dieser Verfügung vom 23.8.2002, auf die wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird, räumt die Beklagte ein, dass die darin enthaltenen Erwägungen „sicherlich vertretbar” seien, insbesondere soweit der Senat davon ausgehe, dass es in erster Instanz nicht nur unstreitig gewesen, sondern ausdrücklich zugestanden (§ 288 ZPO) worden sei, dass die Beklagte die Dampfsperrfolie verlegt habe. Die Beklagte meint jedoch, der Senat sei trotz fehlender Entschuldigung für das im Widerspruch zum erstinstanzlichen Sach- und Streitstand stehende Berufungsvorbringen an einer Entscheidung nach § 522 ZPO gehindert, solange sich die bisher offenbar falsch informierte Klägerin hierzu nicht nach Nachfrage bei dem Bauherrn ausdrücklich erklärt habe. Falls der neue Vortrag unstreitig werde, sei er allein deshalb in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen.

2. Die Berufung ist gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Das ZPO-Reformgesetz hat die bisherige Ausgestaltung des zweiten Rechtszuges als grundsätzlich voller Tatsacheninstanz aufgegeben und der Berufung die Aufgabe der Kontrolle und Korrektur gerichtlicher Fehler zugewiesen. Nach dem Gesetz obliegt es den Parteien, im ersten Rechtszug möglichst intensiv zur gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung beizutragen (vgl. Rimmelspacher, JURA 2002, 11 [12 f.]). Hierdurch soll nicht nur dem berechtigten Interesse rechtsuchender Parteien an einer Streitbeendigung in einer Instanz Rechnung getragen werden. Vielmehr soll zugleich auch im Interesse des Allgemeinwohls eine unnötige Inanspruchnahmen der „knappen Ressource Recht” im zweiten Rechtszug vermieden werden. Dementsprechend sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Berufungsverfahren nur in den in § 531 Abs. 2 ZPO geregelten Ausnahmefällen zuzulassen. Gegenüber dem bisherigen Novenrecht grundlegend neu und daher bei der Frage, ob bisher vertraute Entscheidungsmuster aufrechterhalten werden dürfen, besonders zu beachten ist dabei die Entscheidung des Gesetzgebers, die Frage der Zulässigkeit neuen Vorbringens in § 531 Abs. 2 ZPO unabhängig von einer etwaigen Verzögerung des Rechtsstreits zu regeln.

Darüber hinaus ist mit dem ZPO-Reformgesetz – ebenfalls im Interesse rechtsuchender Parteien und der Allgemeinheit an einer möglichst zügigen und unnötigen Aufwand vermeidenden Verfahrensbeendigung – die Möglichkeit der Zurückweisung der Berufung ohne mündliche Verhandlung nach § 522 Abs. 2 ZPO geschaffen worden. Im Referentenentwurf war zunächst vorgesehen, dass jede Berufung der Annahme durch das Berufungsgericht bedarf; ein gerichtlicher Hinweis an den Berufungsführer oder eine Stellungnahme des Berufungsgegners war – ebenso wie im Falle der Verwerfung der Berufung als unzulässig, der Ablehnung eines Wiedereinsetzungsantrages, der Nichtannahme der Revision nach § 554b ZPO a.F. oder der Zurückweisung eines Wiederaufnahmeantrages - vor Erlass eines Nichtannahmebeschlusses nicht vorgesehen. Auf den Einwand, dass der mit diesem neuen Institut verfolgte Zweck der raschen und effektiven Verfahrensbeendigung ebenso gut und einfacher erreicht werde, wenn in den zu terminierenden Sachen kein Annahmebeschluss erforderlich sei, i...

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