Leitsatz (amtlich)

Bei einer Vereinbarung über den wechselseitigen Verzicht auf Durchführung des Versorgungs-ausgleichs fällt die Einigungsgebühr nach Nr. 1.000 VVRVG jedenfalls dann an, wenn Auskünfte der Versorgungsträger nicht eingeholt worden sind und die Person des Ausgleichspflichtigen deshalb nicht feststeht.

 

Verfahrensgang

AG Nordhorn (Beschluss vom 19.05.2010; Aktenzeichen 11 F 933/09 S)

 

Tenor

I. Die Sache wird gem. § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 2 RVG dem Senat zur Entscheidung übertragen.

II. Die Beschwerde der Bezirksrevisorin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Nordhorn vom 19.5.2010 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Landeskasse wendet sich mit der zugelassenen Beschwerde gegen die Festsetzung der Einigungsgebühr in einem Scheidungsverfahren, in dem beiden Parteien Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist.

Die Parteien haben am 10.11.2006 die Ehe geschlossen, aus der keine Kinder hervorgegangen sind. Mit ihrem am 5.11.2009 beim AG eingegangenen Antrag beantragte die am 15.2.1971 geborene Antragstellerin die Scheidung der Ehe und teilte mit, dass ein Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht gestellt werde. Sie bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der am 3.6.1971 geborene Antragsgegner steht seit dem 4.10.2006 ununterbrochen in einem Beschäftigungsverhältnis. Er teilte mit Schriftsatz vom 3.12.2009 mit, dass auch er keinen Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs stelle, überreichte jedoch vorsorglich die entsprechenden Unterlagen. Auskünfte der Rentenversicherungsträger wurden nicht eingeholt.

In der mündlichen Verhandlung trafen die Parteien eine "Vereinbarung", wonach der Versorgungsausgleich nicht erfolgen sollte. In dem Scheidungsbeschluss vom 5.1.2010 stellte das AG fest, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet, und verwies zur Begründung auf §§ 6 Abs. 1, 7 Abs. 2 und 8 Abs. 1 Versorgungsausgleichsgesetz.

Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat u.a. die Festsetzung einer Einigungsgebühr entsprechend dem vom AG für den Versorgungsausgleich festgesetzten Streitwert von 1.000,- Euro beantragt. Durch Beschluss vom 25.1.2010 setzte die Rechtspflegerin die Einigungsgebühr ab. Auf die Erinnerung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin setzte das AG durch den angefochtenen Beschluss vom 19.5.2010 eine Einigungsgebühr zzgl. Mehrwertsteuer fest.

II. Das gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG aufgrund der Zulassung durch das Familiengericht statthafte Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Das Familiengericht hat die Einigungsgebühr zu Recht festgesetzt. Bei einer Vereinbarung über den wechselseitigen Verzicht auf Durchführung des Versorgungsausgleichs fällt die Einigungsgebühr nach Nr. 1.000 VVRVG jedenfalls dann an, wenn Auskünfte der Versorgungsträger nicht eingeholt worden sind und die Person des Ausgleichspflichtigen deshalb nicht feststeht.

Der Senat folgt dabei der nunmehr überwiegenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1463; OLG Stuttgart FamRZ 2008, 1010; OLG Köln FamRZ 2008, 1010 sowie 2009, 237; OLG Karlsruhe FamRZ 2009, 2111; OLG Zweibrücken MDR 2009, 1314; OLG Celle FamRZ 2007, 201; Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., Nr. 1.000 VVRVG Rz. 5 und 26, jeweils m.w.N.; a.A. noch OLG Karlsruhe, FamRZ 2007, 843; OLG Stuttgart FamRZ 2007, 232). Dabei kann dahinstehen, ob bei einem wechselseitigen Verzicht hinsichtlich des ansonsten noch durchzuführenden Versorgungsausgleichs stets ein Vergleich im Sinne der Nr. 1.000 VVRVG vorliegt (so wohl Göttlich-Mümmler-Rehberg-Xanke, RVG, "Versorgungsausgleich" Anm. 1.2.4).

Voraussetzung für das Entstehen der Einigungsgebühr ist gem. Nr. 1.000 RVG-VV "die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht". Der Abschluss eines Prozessvergleiches wird angesichts der weiten Formulierung ebenso wenig gefordert wie ein gegenseitiges Nachgeben (vgl. Beschlüsse des Senats vom 31.3.2008 - 13 WF 44/08 = 19 F 106/07 AG Lingen sowie vom 1.9.2008 - 13 WF 165/08 = 19 F 32/08 AG Lingen; vgl. allerdings OLG Celle FamRZ 2009, 715 zur Frage der Entstehung einer Einigungsgebühr im isolierten Sorgerechtsverfahren). Vorliegend waren die Auskünfte der Rentenversicherungsträger noch nicht eingeholt. Deshalb standen weder die Ausgleichsrichtung noch die Ausgleichshöhe fest, so dass mit dem wohl wegen der kurzen Ehedauer erfolgten Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs vertraglich ein ungewisses Rechtsverhältnis geklärt wurde.

Anders als in dem von der Bezirksrevisorin in Bezug genommenen Beschluss des 14. Zivilsenats vom 7.5.2008 (14 WF 99/08) stand vorliegend auch nicht fest, dass keine auszugleichenden Anwartschaften vorlagen.

Allerdings reichen ein Anerkenntnis oder Verzicht nicht aus, um einen "Vertrag" im Sinne von Nr. 1.000 RVG-VV anzunehmen. Die Vereinbarung...

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