Leitsatz (amtlich)

1. Der Geschäftsführer einer GmbH, deren wesentliche Aufgabe in der Führung der Geschäfte einer Kommanditgesellschaft besteht, haftet (auch) dieser KG gegenüber gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG.

2. Zum Umfang der Pflichten eines Geschäftsführers im Rahmen der internen Unternehmensorganisation (hier: Schaffung von Compliance-Strukturen zur gehörigen Überwachung von Mitarbeitern).

3. Unterlässt der Geschäftsführer eine Unternehmensorganisation, die die Wahrung des Vier-Augen-Prinzips für schadensträchtige Tätigkeiten erfordert, so kann er für hierdurch entstehende Schäden haften.

 

Normenkette

GmbHG § 43

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 05.04.2019; Aktenzeichen 2 HK O 3068/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 05.04.2019, berichtigt mit Beschluss vom 11.06.2019 (Az. 2 HK O 3068/18) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 788.933,31 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 31.05.2018 zu bezahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 10.302,50 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 05.10.2018 zu bezahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 9 % und der Beklagte 91 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer I genannte Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist, soweit die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen wird, ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Jede Partei kann die Zwangsvollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 860.859,74 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen den Beklagten - den Geschäftsführer ihrer Komplementärin - wegen Verletzung von Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Schädigung der Klägerin durch einen untreuen Mitarbeiter.

1. Die D. Aktiengesellschaft (eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Hamburg unter HRB 8243) hat insbesondere den Vertrieb von Mineralölprodukten zum Unternehmensgegenstand. Im Jahr 2009 ist diese Gesellschaft als übernehmender Rechtsträger mit weiteren europäischen Gesellschaften verschmolzen und hat zugleich die Rechtsform einer Europäischen Aktiengesellschaft (SE) angenommen. Sie firmiert nunmehr unter B. (eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Hamburg unter HRB 113611).

Die B. GmbH (eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Nürnberg unter HRB 5461, Anlage K1) wurde 1981 gegründet (Anlage K4). Ihr Stammkapital beträgt 50.000 DM. Geschäftsgegenstand ist der Handel mit Mineralölprodukten sowie die Beteiligung an und die Übernahme von anderen Unternehmen einschließlich der Übernahme der Geschäftsführung, Vertretung und Verwaltung. Gesellschafter der B. GmbH (Anlage K2) waren und sind

  • die B. (vormals D. Aktiengesellschaft) mit einem Geschäftsanteil von 25.000 DM (= 50 %),
  • der Vater des Beklagten B. (geb. 07.08.1941) mit Geschäftsanteilen von zunächst 12.500 DM (= 25 %), seit einer teilweisen Geschäftsanteilsabtretung am 18.12.2020 mit einem Geschäftsanteil von noch 500 DM (= 1 %)
  • sowie der Beklagte (B., geb. 23.05.1966) mit einem Geschäftsanteil von zunächst 12.500 DM (= 25 %), seit einer teilweisen Geschäftsanteilsübertragung am 18.12.2020 mit Geschäftsanteilen von 24.500 DM (= 49 %).

Die B. GmbH & Co. KG (die Klägerin) wurde - noch unter ihrer vormaligen Firma B. GmbH & Co. Mineralöl-Vertriebs-KG - 1982 gegründet (Anlage K3) und im Handelsregister des Amtsgerichts Nürnberg unter HRA 8488 eingetragen (Anlage K1). Persönlich haftende Gesellschafterin dieser Kommanditgesellschaft ist die B. GmbH. Kommanditisten der Gesellschaft sind seit 2006

  • die B. (vormals D. Aktiengesellschaft) mit einer Kommanditeinlage von 125.000 DM (= 50 %),
  • der Vater des Beklagten B. mit einer Kommanditeinlage von zunächst 62.500 DM (= 25 %), seit deren Herabsetzung am 05.02.2021 mit einer Kommanditeinlage von noch 2.500 DM (= 1 %) sowie
  • der Beklagte (B.) mit einer Kommanditeinlage von zunächst 62.500 DM (= 25 %), seit deren Erhöhung am 05.02.2021 mit einer Kommanditeinlage von 122.500 DM (= 49 %).

2. Geschäftsführer der B. GmbH war zunächst B., der Vater des Beklagten.

Mit Gesellschafterbeschluss vom 03.04.2008 wurde der Beklagte zum neuen Geschäftsführer der B. GmbH bestellt und zugleich der bisherige Geschäftsführer B. abberufen; dies wurde am 06.08.2008 im Handelsregister eingetragen. Ebenfalls am 03.04.2008 schloss die B. GmbH mit dem Beklagten einen Ge...

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