Leitsatz (amtlich)

1. Die Verwendung einer unzulässigen Abschaltsoftware die dazu führt, dass die Stickoxidwerte eines Fahrzeugmotors im realen Fahrbetrieb gegenüber dem Prüfstandlauf (NEFZ) verschlechtert werden, ist als Sachmangel anzusehen, weil der Käufer eines Fahrzeugs für den Verkäufer erkennbar voraussetzt, dass das gelieferte Fahrzeug allen Vorschriften entspricht, die für die Betriebserlaubnis von wesentlicher Bedeutung sind.

2. Es steht der Erheblichkeit des Mangels im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB nicht entgegen, dass die Mangelbeseitigungskosten weniger als ein Prozent des Kaufpreises betragen, wenn der Mangel zu einer Entziehung der Betriebserlaubnis des Fahrzeugs führen kann.

3. Die Dauer einer angemessenen Nachbesserungsfrist bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Muss die bereits entwickelte oder zumindest in der Entwicklung befindliche Nachbesserungsmaßnahme vor ihrer Umsetzung von einer Behörde genehmigt werden, und steht diese Genehmigung noch aus, ist jedenfalls eine Frist von weniger als zwei Monaten in der Regel unangemessen kurz.

 

Normenkette

BGB §§ 323, 434, 437 Nr. 2, § 440

 

Verfahrensgang

LG Ansbach (Urteil vom 20.01.2017; Aktenzeichen 2 O 755/16)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 20. Januar 2017, Az. 2 O 755/16, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ansbach ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Das Berufungsurteil ist ebenfalls vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 35.257,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Neuwagenkaufvertrags.

Der Kläger ist Inhaber eines Gewerbetriebs für Sanitärtechnik. Die Beklagte ist Vertragshändlerin für Fahrzeuge der Marke Volkswagen (künftig: VW). Der Kläger erwarb für sein Einzelunternehmen mit Kaufvertrag vom 30. September 2014 (Anlage K 1, Bl. 10/11 d.A.) bei der Beklagten ein Fahrzeug der Marke VW, Tiguan Sport & Style 4Motion 2,0 l TDI, 103 kW (140 PS) 6 - Gang, das mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet ist. Der PKW wurde ihm am 28. November 2014 übergeben.

Im Februar 2016 informierte die Volkswagen Aktiengesellschaft (künftig: VW AG) den Kläger schriftlich, sein Fahrzeug sei mit einer Software ausgestattet, welche die Stickoxidwerte (NOx) im Vergleich zwischen Prüfstandlauf (NEFZ) und realem Fahrbetrieb verschlechtere. Es werde an einer Rückrufaktion gearbeitet, die für die betroffenen 2,0 l - Motoren ab der 9. Kalenderwoche 2016 starten solle. Dem Kläger wurde versichert, er dürfe sein Fahrzeug ohne jegliche Einschränkung in gewohnter Weise weiter nutzen. Es sei technisch sicher und fahrbereit (Anlage K 3, Bl. 13/14 d.A.).

Ca. 4 Wochen später, mit Schreiben vom 24. März 2016 (Anlage K 4, Bl. 16 - 18 d.A.) rügte der Kläger gegenüber der Beklagten, das Fahrzeug weise höhere Emissionswerte auf als beim Verkauf angegeben. Es sei eine Manipulationssoftware verwendet worden, die die Emissionswerte schöne. Er forderte die Beklagte zur Nachbesserung bis 7. April 2016 auf.

Auf dieses Schreiben antwortete die Beklagte am 29. März 2016. Sie stellte den zur "Behebung der Unregelmäßigkeiten" beabsichtigten Software-Update vor und wies den Kläger darauf hin, sein Fahrzeug könne weiterhin im Straßenverkehr genutzt werden. Die Durchführung der notwendigen Maßnahmen erfolge in Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt auf Kosten von VW. Die Beklagte werde den Kläger sobald als möglich über den Zeitplan für sein Fahrzeug informieren. Man bitte um Geduld. Das Zuwarten sei nicht nachteilig für den Kläger, da die Beklagte bis 31. Dezember 2017 auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichte. Dies gelte auch, soweit etwaige Ansprüche bereits verjährt seien (Anlage K 5, Bl. 19 - 21 d.A.).

Mit Schreiben vom 11. April 2016 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag. Er zweifle an, dass die Mängelbeseitigung zu seiner Zufriedenheit erfolgen könne, da das Kraftfahrt-Bundesamt bisher die Freigabe für die Nachbesserung trotz zahlreicher Nachprüfungen verweigere. Das Fahrzeug leide an einem erheblichen und unbehebbaren Mangel. Die Nachbesserung werde durch die Beklagte unverständlicherweise verzögert (Anlage K 6, Bl. 22 - 24 d.A.).

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 21. April 2016 eine Rücknahme des Fahrzeugs ab. Sie wies den Kläger darauf hin, dass VW das Ziel verfolge, durch die Umsetzung der geplanten Maßnahmen die Motorleistung, den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen nicht zu verändern. Dieses Ziel sei für den ersten, vom Kraftfahrt-Bundesamt nach Durchführung der technischen Maßnahmen untersuchten Fahrzeugtyp, den VW Amarok uneingeschrän...

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