Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen eines unprovozierten körperlichen Angriffs auf einen Mitschüler als schulbezogene Handlung.

2. Das Erfordernis des „doppelten Vorsatzes” für den Wegfall des Haftungsprivilegs nach den ehemaligen §§ 636 ff. RVO gilt für die nunmehr einschlägige Regelung gem. §§ 104 ff. SGB VII fort.

 

Normenkette

RVO § 636 ff. a.F.; SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 8, § 104 Abs. 1, § 106 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 2 O 1693/01)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 17.7.2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung seitens des Beklagten im Kostenausspruch gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 15.000 DM abzuwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Sämtliche Sicherheiten können auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der BRD niedergelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

IV. Die Beschwer des Klägers beträgt 175.000 DM.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 175.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche wegen der Folgen einer Schulrauferei.

Am 13.11.2000 kam es im Gymnasium in P. i.d.OPf. zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Beklagten, welche beide die dortige 5. Klasse besuchten.

Als die Beteiligten sich während des Stundenwechsels gegen 10.40 Uhr vor dem Klassenzimmer auf dem Gang aufhielten, schlug der Beklagte dem Kläger mit beiden Fäusten gegen den Hodensack. Infolge dieses Vorfalls, musste der Kläger, der an heftigen Schmerzen litt, am Abend in ein R.-Krankenhaus eingeliefert werden, wo ihm am darauffolgenden Tag mittels einer Operation der linke Hoden entfernt werden musste.

Der Kläger hat ausgeführt:

Der Beklagte könne sich nicht auf die Haftungsprivilegierung aus §§ 106 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 8b i.V.m. § 104 Abs. 1 SGB VII berufen. Zum einen liege kein schulbezogener Unfall vor. Zudem habe der Beklagte vorsätzlich gehandelt. Nach der Neuregelung der Haftungsprivilegierung durch das SGB sei für die Begründung des Vorsatzes nicht mehr erforderlich, dass sich dieser auch auf die Folgen der Verletzungshandlung beziehe. Dies ergebe sich aus § 110 Abs. 1 S. 3 SGB VII, der hier analog anzuwenden sei.

Der Kläger hat beantragt:

I. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld zu zahlen von 25.000 DM nebst 8,42 % Zinsen ab 11.12.2000.

II. Es wird festgestellt, dass der Beklagte für zukünftigen immateriellen Schaden infolge der Schadenszufügung vom 13.12.2000 einzustehen hat.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Er hat die Meinung vertreten, dass die Verletzung des Klägers durch eine schulbezogene Handlung erfolgt sei. Eine vorsätzliche Verletzung i.S.d. § 104 Abs. 1 SGB VII liege nicht vor, da sein Verletzungsvorsatz nicht auch die Verletzungsfolgen umfasst habe. Schließlich sei für eine analoge Anwendung des § 110 Abs. 1 S. 3 SGB VII kein Raum.

Das LG hat mit Endurteil vom 17.7.2001 die Klage abgewiesen.

In den Entscheidungsgründen hat es sich der Rechtsauffassung des Beklagten angeschlossen. Wegen der Einzelheiten wird gem. § 543 Abs. 2 ZPO auf das Ersturteil Bezug genommen (S. 6 ff., Bl. 20 ff. d.A.).

Gegen dieses ihm am 26.7.2001 zugestellte Endurteil hat der Kläger am 9.8.2001 durch seinen Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Er wiederholt seine erstinstanzliche Rechtsauffassung und rügt, dass diese durch die Entscheidungsgründe des Ersturteils nicht entkräftet sei.

Der Kläger beantragt:

I. Das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 17.7.2001 wird abgeändert.

II. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld zu zahlen von 25.000 DM nebst 9,26 % Zinsen ab 11.12.2000.

III. Es wird festgestellt, dass der Beklagte für zukünftigen immateriellen Schaden sowie materiellen Schaden infolge der Schadenszufügung vom 12.11.2000 einzustehen hat.

Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung.

Er macht sich die Ausführungen des angefochtenen Urteils zu eigen und wiederholt i.Ü. seinen erstinstanzlichen Sachvortrag.

Wegen der Einzelheiten des gegenseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Ferner wird – zur Information – auf die von den Parteien vorgelegten Urkunden verwiesen.

(Eine Beweisaufnahme hat im Berufungsverfahren nicht stattgefunden.)

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, §§ 511 ff. ZPO.

II. In der Sache selbst hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.

Das LG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Hierauf kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die vom Kläger gegen das Ersturteil erhobenen Einwendungen greifen nicht durch:

1. Zu Recht geht das LG davon aus, dass der Kläger vom Beklagten durch eine schulbezogene Handlung verletzt wurde:

a) Grundsätzlich setzt die Haftungsprivilegierung des Beklagten gem. ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge