Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage der hinreichenden Bestimmtheit eines auf Erarbeitung und Auswahl von 10 dem Vertragspartner zu überlassenden Partnerempfehlungen gerichteten Vertrags.

2. Zu den Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit eines Partnervermittlungsvertrags.

3. Zur Anfechtbarkeit eines Partnervermittlungsvertrags unter den Gesichtspunkten einer Täuschung über die Urheberschaft einer vorangegangenen Zeitungsannonce und eines Lockvogelangebots, bei dem mit einer nichtexistenten Person geworben wird.

4. Zur Frage, ob ein in Räumen eines selbständigen Handelsvertreters des Unternehmers geschlossener Partnervermittlungsvertrag als außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag gemäß §§ 312b, 312g, 355 BGB widerrufen werden kann.

5. Die Anwendung von § 312b Abs. 2 Satz 2 BGB ist nicht in richtlinienkonformer Auslegung der Verbraucherrechterichtlinie (2011/83/EU) ausgeschlossen.

6. Zur Kündigung eines Partnervermittlungsvertrags gemäß § 627 BGB.

 

Normenkette

BGB §§ 123, 138, 144-145, 312b, 312g, 355, 627, 656; VerbrRRL Art. 2 Nrn. 2, 8-9

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 07.09.2016; Aktenzeichen 2 O 222/16)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 07.09.2016 (Az. 2 O 222/16) wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.106,60 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Der Kläger begehrt Rückzahlung einer an eine Partnerschaftsvermittlung gezahlten Vergütung (in Höhe von 4.998,00 EUR) sowie Schadensersatz (in Höhe von 108,60 EUR).

1. Der ursprüngliche, im Laufe des Verfahrens verstorbene Kläger R. F.(im Folgenden durchgehend als Kläger bezeichnet) war am 10.09.1938 geboren. Er war Bankkaufmann im Ruhestand. Nach dem Tod seiner Ehefrau M. am 01.06.2014 (Anlage K13) - der Kläger war seinerzeit 75 Jahre alt - entschloss er sich, erneut eine Partnerin zu suchen.

Der Beklagte ist Inhaber der Firma "W.-S."; er betreibt unter dieser Firma eine bundesweit tätige Partnervermittlung, u.a. mittels selbständiger Handelsvertreter.

2. Der Beklagte hatte am 15.07.2015 in der Zeitung "D. E." in der Rubrik Partnerschafts-/Bekanntschaftsanzeigen folgende Anzeige geschaltet:

"D. 73 J., bin eine einfache, aber hübsche Frau mit weiblicher Figur, gerne würde ich wieder einen lieben Mann (Alter unwichtig) glücklich machen. Habe ein Auto u. wäre jederzeit umzugsbereit. Wann können wir uns verabreden. Bitte rufen Sie heute noch an u. fragen nach mir. 1&1-pv Tel. xy"

Am 29.07.2015 telefonierte der in der Nähe von Darmstadt wohnende Kläger mit der im Inserat angegebenen Telefonnummer (die die Vorwahl von Darmstadt aufwies). Nach seinem - vom Beklagten bestrittenen - Vortrag erfolgte dieser Anruf aufgrund des genannten Zeitungsinserats.

Hierbei meldete sich eine Frau M., die einen umgehenden Rückruf versprach. Der genaue Inhalt dieses Telefonats ist zwischen den Parteien streitig. Nach Vortrag des Klägers sei dieser nur an Kontakten in räumlicher Nähe zu seinem Wohnort (nahe Darmstadt) interessiert gewesen und habe gewünscht, Frau "D." zu sprechen, deren Rückruf Frau M. zugesagt habe. Nach Vortrag des Beklagten habe der Kläger mitgeteilt, verwitweter früherer Bankkaufmann zu sein, und um Besuch einer Außendienstmitarbeiterin zwecks Beratung und Abschluss eines Partnervermittlungsvertrags gebeten; ihm sei der Rückruf einer solchen Mitarbeiterin angekündigt worden.

Noch am 29.07.2015 erfolgte ein Rückruf der für den Beklagten tätigen selbständigen Handelsvertreterin M. K. beim Kläger. Auch der Inhalt dieses Telefonats ist zwischen den Parteien streitig. Nach Vortrag des Klägers wünschte dieser, Frau "D." zu sprechen; Frau K. habe mitgeteilt, dass sie im Auftrag von Frau "D." den Kontakt organisieren bzw. herstellen würde; auf Frage des Klägers nach dem Wohnort von Frau "D." sei ihm mitgeteilt worden, diese würde in Babenhausen (ca. 20 km vom Wohnort des Klägers entfernt) wohnen; vor einem Treffen mit Frau "D." seien aber noch verschiedene Formalien zu regeln; der Kläger solle Frau K. deshalb in 69242 Mühlhausen (Kraichgau) aufsuchen. Nach Vortrag des Beklagten habe Frau K.. den Kläger lediglich gebeten, in ihr Büro nach Mühlhausen zu kommen; dem Kläger sei nicht mitgeteilt worden, dass Frau "D." in Babenhausen wohne, diese sei vielmehr nicht Gesprächsgegenstand gewesen.

3. Am 04.08.2015 fuhr der Kläger zu der ihm von Frau K. mitgeteilten Adresse, xygstraße 14 in 69242 M. (Kraichgau). Nach seinem - vom Beklagten bestrittenem - Vortrag entstanden ihm für die ca. 90 km lange Strecke Fahrtkosten von 108,60 EUR. Bei der benannten Adresse handelt es sich um ein Mehrfamilienhaus, in dem u.a. ein von Frau K. genutztes Appartement gelegen ist. Am Klingelschild dieses Appartements war der Schriftzug "xy BUERO M. K." angebracht (Anlage B6).

Nach Vortrag des Klägers soll aus der Belegenheit dieses Appartements in einem Mehrfamilienhaus folgen, dass Frau K. dort auch wohne, so dass es ...

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