Leitsatz (amtlich)

1. Das von einer Aktiengesellschaft verfolgte Geschäftsmodell des Ankaufs von Lebensversicherungen mit der Abrede, diese im Auftrag und im Namen des Versicherungsnehmers zu kündigen, den erzielten Rückkaufswert zu vereinnahmen und als Gegenleistung dafür einen auch vom wirtschaftlichen Erfolg der AG abhängigen Kaufpreis in 120 Monatsraten zu erstatten, stellt eine registrierungspflichtige Rechtsdienstleistung in Form der Inkassodienstleistung dar.

2. Die Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes zum Registrierungs-vorbehalt für bestimmte Rechtsdienstleistungen sind "Schutzgesetz" i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB.

3. Der alleinige Gründer, Aktionär und Vorstand einer Aktiengesellschaft, die ohne Registrierung eine registrierungspflichtige Geschäftstätigkeit entfaltet, haftet infolge bußgeldrechtlicher Zurechnung auch persönlich wegen der Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB für den durch diese Geschäftstätigkeit verursachten Vermögensschaden.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 2; RDG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 2 S. 1, §§ 3, 20 Abs. 1 Nr. 2; OWiG § 9 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Amberg (Urteil vom 28.02.2013; Aktenzeichen 21 O 706/12)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Amberg vom 28.2.2013 - 21 O 706/12, abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.401,31 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.5.2012 sowie außergerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 1.029,35 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.10.2012 zu zahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 43 % und der Beklagte 57 % zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt bis zur Teilklagerücknahme im Termin vom 24.2.2014 EUR 26.786,96, danach noch EUR 15.401,31.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Forderungen aus einem Geldanlagegeschäft, welches mit der Verwertung von Lebensversicherungspolicen gekoppelt war.

Mit Vertrag vom 3.7.2009 (vgl. Anlagenheft KV) "verkaufte" der Kläger über einen selbständigen Finanzmakler an eine "... AG" (im Folgenden: AG), deren alleiniger Gründer und einziger Vorstand der Beklagte war, mehrere von ihm gehaltene Lebensversicherungsverträge ("Vorwegabtretung zur Kapital-Rückzahlungsvorsorge eines Kaufpreises im Rahmen eines Policenankaufs"). Nach dem "Anlagemodell" war vereinbart, dass die AG im Auftrag und mit Vollmacht des Klägers als Versicherungsnehmer die Lebensversicherungsverträge kündigt, die Rückkaufswerte vereinnahmt und im Gegenzug an den Kläger einen Gesamtkaufpreis von bis zu "prognostizierten" 30.710 EUR leistet, zahlbar über 10 Jahre hinweg in 120 Monatsraten (vgl. Kaufpreisprognose Anlagenheft KV).

Über eine behördliche Erlaubnis zur Vornahme der aus den verwendeten Vertragsformularen ersichtlichen Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit der Verwertung der Lebensversicherungsverträge verfügten weder die AG noch der Beklagte persönlich.

Der Kläger trägt vor, die ersten Zahlungen der "Kaufpreisraten" seien noch vertragsgemäß erfolgt, ab April 2011 habe die AG aber keinerlei Zahlungen mehr geleistet. Über das Vermögen der AG sei mittlerweile das Insolvenzverfahren eröffnet (AG München Az ...), er habe seine Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet, eine Zahlungsquote sei nicht zu erwarten. Denn das gesamte AG-Konstrukt sei von Anfang an als betrügerisches Schneeballsystem vom Beklagten aufgezogen worden und es seien eine Vielzahl von Anlegern betrogen worden, was auch Gegenstand von Ermittlungsverfahren der StA München I (Az ... und Az ...) sei.

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte sei als "Initiator, Gründungsgesellschafter und einziges Vorstandsmitglied der ... AG, welche durch formwechselnde Umwandlung aus der ... GmbH entstanden ist", persönlich aus unerlaubter Handlung gegenüber dem Kläger haftbar, sei es wegen Betruges (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB) oder wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB). Die Schadensersatzpflicht des Beklagten erstrecke sich auf die noch offene Differenz aus Kaufpreis und erfolgten Zahlungen, woraus sich die Klageforderung von (zunächst) 26.786,96 EUR errechne.

Der Beklagte wendet ein, er habe die Gesellschaft ordnungsgemäß gegründet, die Geschäfte im Rahmen der gesetzlichen Gegebenheiten geführt und diese seien gemäß dem Geschäftsplan sowie im Rahmen der Angaben im Prospekt durchgeführt worden. Der Vorwurf des betrügerischen Handelns sei aus der Luft gegriffen und werde mit Nachdruck bestritten.

Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen und im Übrigen von weiteren Darlegungen gem. § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Unter dem 28.2.2013 hat das LG ein klageabweisendes Endurteil verkündet. Der Kläger habe weder die erforderlichen Tatbestandsmerkmale eines Betrugs noch die einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung ausreichend dargelegt und unter Beweis gestellt. Der Kläger könne auch keinen Schadensersatz wegen Verl...

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