Leitsatz (amtlich)

1. Legt eine GmbH für ihre Gesellschafter steuerliche Einlagekonten an, so gebietet es die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern, dass die Einlagekonten fehlerfrei, also mit zutreffendem Stand, eingerichtet werden.

2. a) Hat sich die GmbH bei der Erfüllung ihrer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht gegenüber einem Gesellschafter eines Dritten als Erfüllungsgehilfen bedient (hier: eines Steuerberaters zur Einrichtung eines steuerlichen Einlagenkontos für einen Gesellschafter), haftet sie gegenüber dem Gesellschafter für das Verschulden dieses Dritten.

b) Zugleich kann die GmbH durch das Verschulden des Dritten einen eigenen Schaden erleiden. Dieser beruht auf der Belastung mit einer Verbindlichkeit gegenüber dem Gesellschafter wegen der Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht. Insoweit kann die GmbH vom Dritten Schadenersatz verlangen.

3. Wird im Laufe von Verhandlungen, während derer die Verjährung gehemmt ist, eine Forderung anerkannt, so berechnet sich die durch das Anerkenntnis neu beginnende Verjährungsfrist erst ab Abschluss der durch die Verhandlungen bewirkten Hemmung.

 

Normenkette

BGB §§ 203, 212, 278

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 14 O 4655/16)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24. Juli 2017, Az. 14 O 4655/16, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren und unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24. Juli 2017 auch für das erstinstanzliche Verfahren auf 128.101,97 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten über die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten aus einem Steuerberatungsvertrag.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Deren aktueller Alleingeschäftsführer und einziger Gesellschafter ist N. (fortan: der Geschäftsführer). Die Beklagte, ein in der Rechtsform der GmbH geführter Zusammenschluss von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern, ist Teil der T. Unternehmensgruppe, zu der ebenfalls die T Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (fortan: Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) gehört.

Am 9./10. August 2007 schlossen die Klägerin, der Geschäftsführer und eine aus dem Geschäftsführer und seinem Vater, R., bestehende OHG als Auftraggeber und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Auftragnehmer einen Beratungsvertrag. Vertragsgegenstand war die Umstrukturierung der Firmengruppe auf Auftraggeberseite sowie die Erstellung der Jahresabschlüsse für 2007 und der dazugehörigen Steuererklärungen der einzelnen Auftraggeber.

Gemäß Ziff. 2 Abs. 1 Satz 3 der in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vom 1. Januar 2002 sollte der Wirtschaftsprüfer berechtigt sein, sich zur Ausführung des Auftrags sachverständiger Personen zu bedienen.

Die Bilanz der Klägerin zum 31. März 2007 wies einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 706.564,61 EUR und zum 31. März 2007 einen Verlustvortrag in Höhe von 775.973,67 EUR aus. Dieser Verlustvortrag sollte nach Möglichkeit bei der geplanten Umstrukturierung erhalten bleiben. Um dieses ihr bekannte Ziel zu erreichen, riet die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft dazu, bestimmte mittelbare und unmittelbare Forderungen des Geschäftsführers und seines damaligen Mitgesellschafters R. gegen die Klägerin in einer Gesamthöhe von 607.118,33 EUR in Einlagen umzuwandeln.

Die weitere Umsetzung dieses Konzepts, das die Einrichtung eines steuerlichen Einlagekontos nach § 27 Abs. 2 KStG des Geschäftsführers bei der Klägerin umfasste, erfolgte nicht mehr durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, sondern durch die Beklagte. Ein Wechsel des Sachbearbeiters - WP/StB U. - war damit nicht verbunden. Sämtliche Rechnungen an die Klägerin wurden in der Folgezeit von der Beklagten gestellt.

Die Beklagte, die die mit dem vorbezeichnetem Konzept verbundene Zielsetzung kannte, bereitete die erforderliche Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 Abs. 2 KStG vor und übersandte sie der Klägerin am 25. März 2009 zur Unterzeichnung und Einreichung beim Finanzamt. Als festzustellender Betrag für das Einlagekonto war dort "0 EUR" eingetragen. Dieser Wert war falsch, da die Einlagen tatsächlich mit 607.118,33 EUR zu beziffern waren. Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Vorlage unterzeichnete die Beklagte, handelnd durch den Geschäftsführer, die Erklärung und reichte sie am 21. April 2009 beim zuständigen Finanzamt Z. ein.

Auf Grundlage der eingereichten Erklärung stellte das Finanzamt unter dem 19. Oktober 20...

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