Leitsatz (amtlich)

Bei einer erweiterten Barunterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen, unverheirateten Kind aus erster Ehe (§ 1603 Abs. 2 S. 1 BGB) muß die verpflichtete Mutter zur Deckung des Mindestunterhalts des Kindes Erziehungsgeld, anteiliges Kindergeld und die Unterhaltsleistungen, die sie von ihrem zweiten Ehemann erhält, bis zur Grenze des notwendigen Selbstbehalts einsetzen.

 

Normenkette

ZPO § 114; BGB § 1603 Abs. 1, 2 S. 1; BErzG § 9

 

Verfahrensgang

AG Weiden i.d. OPf. (Beschluss vom 09.10.1997; Aktenzeichen 1 F 379/97)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des Amtsgerichts Familiengericht – Weiden i.d.OPf. vom 09. Oktober 1997 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagten wird die für das Berufungsverfahren beantragte Prozeßkostenhilfe versagt.

 

Gründe

Zu Recht hat das Familiengericht der Beklagten für das Verfahren erster Instanz Prozeßkostenhilfe versagt. Ihr kann auch für das Berufungsverfahren Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt werden. Ihre Rechtsverteidigung gegen den geltend gemachten Anspruch auf Bezahlung von Kindesunterhalt hat nämlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Die Beklagte ist verpflichtet, für ihren minderjährigen Sohn S. S., geb. am 21.12.1985, den auf den Kläger gemäß § 7 UVG übergegangenen Unterhaltsanspruch von monatlich 324,00 DM (Zeitraum vom 01. April 1996 bis 31. Dezember 1996) bzw. von 314,00 DM (Zeitraum vom 01. Januar 1997 bis 31. Mai 1997) zu bezahlen.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst Bezug auf die Gründe in dem angefochtenen Beschluß und im Endurteil vom 09. Oktober 1997, denen er sich anschließt. Ergänzend ist folgendes auszuführen:

1. Die Beklagte ist zur Bezahlung des geltend gemachten Mindestunterhalts leistungsfähig (§ 1603 BGB).

1.1 Sie trifft gegenüber ihrem minderjährigen, unverheirateten Sohn eine erweitere Unterhaltspflicht (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB).

Zwar tritt nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB eine erweiterte Unterhaltspflicht eines barunterhaltspflichtigen Elternteils dann nicht ein, wenn der sorgeberechtigte Elternteil den Mindestunterhalt in vollem Umfang ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts gewähren kann (vgl. BGH in FamRZ 1980, S. 555 ff.). Auch kommt in Abweichung von dem Grundsatz der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt (§ 1606 Abs. 3 BGB) eine vollständige oder anteilige Barunterhaltspflicht des sorgeberechtigten Elternteils in Betracht, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil über wesentlich geringere Einkünfte verfügt als der betreuende (vgl. BGH in FamRZ 1991, S. 182; OLG Bamberg in NJW 1995, S. 1433 f; Wendl/Staudigl-Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 4. Aufl., § 2, RN 274, 287 ff.). Für eine Barunterhaltspflicht des Vaters von S. S. fehlt es jedoch an einem substantiierten Vortrag der Beklagten.

Macht der auf Barunterhalt in Anspruch genommene Elternteil eine Ausnahme von dem Grundsatz der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt geltend, muß er konkret darlegen und nachweisen, daß die Einkommens- und Vermogensverhältnisse des betreuenden Elternteils sowie die sonstigen Umstände dessen – zumindest teilweise – Heranziehung zum Barunterhalt rechtfertigen (BGH in FamRZ 1981, S. 347; Wendl/Staudigl-Scholz, a.a.O., § 2, RN 288). Die Beklagte hat insoweit lediglich angegeben, daß sie davon ausgehe, daß der Vater von S. S. ein Einkommen in Höhe von mindestens 4.000,00 DM netto im Monat erziele. Daraus läßt sich eine Barunterhaltspflicht des sorgeberechtigten Vaters von S. nicht errechnen. Insbesondere fehlen Angaben zu dessen allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen, zu dessen familiärer Situation und zu dessen Unterhaltsverpflichtungen.

Die für eine Barunterhaltspflicht des sorgeberechtigten Vaters des Kindes S. darlegungspflichtige Beklagte kann sich nicht darauf berufen, mangels ausreichender Informationen keine näheren Angaben machen zu können. Ihr steht nämlich ein Auskunftsanspruch aus § 242 BGB gegen den Vater von S. zu, den sie geltend machen muß (vgl: Wendl/Staudigl-Haußleiter, a.a.O., § 1, RN 566).

1.2 Wegen ihrer erweiterten Unterhaltspflicht gegenüber S. sind die Unterhaltsleistungen von monatlich 1.629,00 DM, die die Beklagte von ihrem zweiten Ehemann H. K. erhält, zur Abdeckung des Mindestunterhalts als Einkommen einzusetzen (vgl. BGH in FamRZ 1980, S. 555 ff.). Bei einer erweiterten Unterhaltspflicht muß nämlich der barunterhaltspflichtige Elternteil auch die Unterhaltsbeträge, die er für den eigenen Unterhalt erhalten hat und für seinen angemessenen Unterhalt benötigt, zum Unterhalt für ein Kind insoweit verwenden, als sie den notwendigen Selbstbehalt übersteigen. Die erweiterte Unterhaltspflicht der Eltern gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB beruht nämlich auf der besonderen familienrechtlichen Verantwortung der Eltern gegenüber ihren minderjährigen, unverheirateten Kindern, die es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zuläßt, daß im Falle nicht ausreichender Mittel vorweg die Eltern ihren eigenen angemessenen Unte...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge