Leitsatz (amtlich)

1. Bei der (Prozess-)Aufrechnung mit (möglicherweise) rechtswegfremden Gegenforderungen kann - beschränkt auf die Aufrechnungsforderungen - eine Entscheidung über die (Un-)Zulässigkeit des Rechtswegs gemäß § 17a Abs. 2 GVG oder gemäß § 17a Abs. 3 GVG ergehen.

2. Wird dies verkannt und ein Antrag auf diesbezügliche Rechtswegentscheidung als unzulässig zurückgewiesen, so ist hiergegen die sofortige Beschwerde gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG statthaft.

3. Die (Prozess-)Aufrechnung mit rechtswegfremden Gegenforderungen kann nur dann berücksichtigt werden, wenn diese Gegenforderungen rechtskräftig oder bestandskräftig festgestellt oder unstreitig sind.

4. Grundlage der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist allein der Sachvortrag der Klagepartei, da nur er den Streitgegenstand bestimmt; Einwendungen der Beklagtenpartei sind insoweit unbeachtlich. Bei der Auf-rechnung mit (möglicherweise) rechtswegfremden Gegenforderungen ist Grundlage der Entscheidung über die diesbezügliche Zulässigkeit des Rechtswegs allein der Sachvortrag der die Aufrechnung erklärenden Beklagtenpartei; insoweit sind Einwendungen der Klagepartei unbeachtlich.

5. Beruht derselbe prozessuale Anspruch auf mehreren Anspruchsgrundlagen, die verschiedenen Rechtswegen zugeordnet sind, so ermöglicht § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG eine einheitliche Sachentscheidung.

6. Zur Frage, inwieweit - nach Erlass eines Vorbehaltsurteils über die Klageansprüche unter Vorbehalt der Entscheidung über die aufgerechneten Gegenansprüche - eine Aussetzung des Verfahrens hinsichtlich dieser Gegenansprüche geboten ist, wenn diese in einem Gerichtsverfahren eines anderen Rechtswegs rechtshängig sind.

 

Normenkette

BGB § 387; GVG § 17 Abs. 2 S. 1, § 17a Abs. 2-3, 4 S. 3; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3; ZPO § 148

 

Verfahrensgang

LG Ansbach (Beschluss vom 22.05.2015; Aktenzeichen 5 HK O 523/09)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts Ansbach vom 22.05.2015 (Az. 5 HK O 523/09) in Ziffer I abgeändert. Hinsichtlich der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen der Beklagten - soweit diese auf die Verletzung von Gesellschafterpflichten und auf damit im Zusammenhang stehende unerlaubte Handlungen gestützt werden - wird der Rechtsweg zu den Zivilgerichten für zulässig erklärt. Der Antrag des Klägers, insoweit die Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs auszusprechen, und die insoweit weiter gehende sofortige Beschwerde des Klägers werden zurückgewiesen.

II. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts Ansbach vom 22.05.2015 (Az. 5 HK O 523/09) in Ziffer II aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über den Aussetzungsantrag an das Landgericht Ansbach zurückverwiesen.

III. Hinsichtlich der sofortigen Beschwerde gegen Ziffer I des Beschlusses des Landgerichts Ansbach vom 22.05.2015 (Az. 5 HK O 523/09) werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der sofortigen Beschwerde gegen Ziffer II des Beschlusses des Landgerichts Ansbach vom 22.05.2015 (Az. 5 HK O 523/09) ist eine Kostenentscheidung nicht veranlasst.

IV. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird hinsichtlich der sofortigen Beschwerde gegen Ziffer I des Beschlusses des Landgerichts Ansbach vom 22.05.2015 auf 239.984,05 EUR und hinsichtlich der sofortigen Beschwerde gegen Ziffer II des Beschlusses des Landgerichts Ansbach vom 22.05.2015 auf 143.990,23 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit des Rechtswegs sowie über die Aussetzung des Rechtsstreits.

Der Kläger war seit 1979 als Arbeitnehmer der Beklagten - zuletzt als angestellter Vertriebsleiter mit Einzelprokura - tätig. Der Kläger sowie Herr H. S. - einer der Geschäftsführer der Beklagten - waren zudem Gesellschafter der verklagten GmbH. Vom Stammkapital von 500.000,00 EUR hatte der Kläger zuletzt 120.000,00 EUR (24 %) und H. S. 380.000,00 EUR (76 %) übernommen. Der Kläger war zum Prokuristen der Beklagten bestellt und als solcher in das Handelsregister eingetragen.

Mit Wirkung zum 31.12.2007 ist der Kläger als Gesellschafter aus der Beklagten ausgeschieden; seine Prokura ist erloschen. Dies wurde am 15.01.2008 im Handelsregister eingetragen.

Der Kläger macht Ansprüche auf ein gesellschaftsvertraglich vereinbartes Abfindungsguthaben geltend. Er hat insoweit Klage auf Zahlung von 202.400,00 EUR erhoben.

Die Beklagte hat hilfsweise die Aufrechnung mit Gegenforderungen erklärt und insoweit eine Vielzahl einzelner Schadensersatzforderungen in Gesamthöhe von 719.952,15 EUR aufgelistet. Die Beklagte hat weiter im Hinblick auf von ihr vorgetragene Verstöße des Klägers gegen eine Wettbewerbsklausel Stufenwiderklage auf Auskunft und Schadensersatz erhoben.

Der Kläger trägt vor, die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen seien im Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zu klären, da sie aus behaupteten Pflichtverletzungen des Klägers während dessen Arbeitsverhältnis mit der Beklagten herrühren.

Die Beklagte trägt vor, ...

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