Leitsatz (amtlich)

Ein grob fahrlässiges, zum Entfallen des Entschädigungsanspruchs führendes Verhalten des erfolgreich abgelehnten (medizinischen) Sachverständigen kann darin liegen, dass er das mit der inhaltlichen Klärung der Beweisfrage in keinem Zusammenhang stehende Verhalten des Prozessbevollmächtigten einer Partei unsachlich würdigt oder sich vorwurfsvoll zur Lebensführung einer Prozesspartei äußert, ohne hierzu Feststellungen getroffen zu haben.

 

Normenkette

ZPO §§ 406, 413; JVEG §§ 4, 8; BGB § 276

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 11 O 5414/06)

 

Tenor

1. Auf Antrag der Staatskasse wird die Entschädigung des Sachverständigen Dr. med. X für die Erstellung des Gutachtens vom 3.5.2011 auf 0 EUR festgesetzt.

2. Die vom Sachverständigen Dr. med. X. für das Gutachten vom 3.5.2011 bereits erhaltene Vergütung i.H.v. 2.651,44 EUR ist an die Staatskasse zurückzuzahlen.

3. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

1. Der Kläger macht Leistungsansprüche aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geltend.

Mit Endurteil vom 22.10.2008 hat das LG Nürnberg-Fürth die Klage abgewiesen, nachdem es zuvor ein medizinisches Gutachten des Sachverständigen Dr. med. X, KrankenhauS. in ..., eingeholt hatte.

Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6.7.2009 hat der Senat am 20.7.2009 einen Beweisbeschluss erlassen und die Einholung eines weiteren schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachtens zur Klärung der behaupteten Berufsunfähigkeit angeordnet.

Unter dem 24.5.2010 hat der Sachverständige Dr. med. Y von der Medizinischen Hochschule H. ein kardiologisches Gutachten erstellt.

Auf Antrag des Klägers hat der Senat mit Beweisbeschluss vom 18.8.2010 die Einholung eines Ergänzungsgutachtens, "in welchem die Frage der Berufsunfähigkeit des Klägers aus orthopädischer und kardiologischer Sicht zusammenfassend zu beurteilen ist", angeordnet und mit der Erstellung des Gutachtens Dr. med. X, KrankenhauS. in ..., beauftragt.

Unter dem 3.5.2011 hat der Sachverständige Dr. X sein "orthopädisches zusätzliches Fachgutachten in freier Form" erstellt und dem Berufungsgericht übersandt.

Mit Beschluss vom 10.5.2011 wurde den Parteien das Gutachten zugeleitet und eine Stellungnahmefrist gem. § 411 Abs. 4 ZPO von vier Wochen eingeräumt.

Mit Schriftsatz vom 9.6.2011 hat der Kläger den Sachverständigen Dr. X abgelehnt und sich darauf berufen, es lägen vielfache Gründe vor, die geeignet seien, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit dieses Sachverständigen zu rechtfertigen. Das Gutachten sei in vielen Teilen unsachlich, fehlerhaft, es strotze von Vorurteilen gegen den Kläger und es würden auch völlig falsche Sachverhalte zugrunde gelegt.

Unter dem 16.6.2011 hat der Sachverständige Dr. X hierzu Stellung genommen.

Mit Beschluss vom 12.7.2011 hat der Senat das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Sachverständigen Dr. X für begründet erklärt.

2. Mit Vorlage seines Gutachtens vom 3.5.2011 hat der Sachverständige Dr. X gleichzeitig unter dem Briefkopf seiner Oberärztin Dr. Z einen "Entschädigungsantrag zu o.g. Gutachtenauftrag (berechnet nach JVEG Anlage 1 zu § 9 JVEG und besondere Leistungen berechnet nach § 10 JVEG) im Auftrag Dr. X" über insgesamt 2.651,53 EUR eingereicht.

Ohne weitere richterliche Entscheidung hat die Kostenbeamtin des OLG unter dem 11.5.2011 eine Auszahlungsanordnung über 2.651,44 EUR erlassen, nachdem zuvor ein "Übertragungsfehler" i.H.v. 0,08 EUR betreffend den 19 % Umsatzsteuer-Betrag korrigiert wurde.

Mit Schreiben vom 26.7.2011 hat der Sachverständige Dr. X auf Nachfrage des OLG ausdrücklich bestätigt, dass er diesen Auszahlungsbetrag erhalten habe.

Im Hinblick auf die Befangenheitsentscheidung des Senats vom 12.7.2011 hat die Bezirksrevisorin bei dem OLG Nürnberg unter dem 18.8.2011 begehrt, die dem Sachverständigen Dr. X ausbezahlte Vergütung von 2.651,44 EUR zurückzufordern und hilfsweise namens der Staatskasse den Antrag gestellt, die Vergütung des Sachverständigen Dr. X für die Erstellung des Gutachtens vom 3.5.2011 auf 0 EUR festzusetzen.

Daraufhin hat die Kostenbeamtin des OLG - ohne die Sache dem Richter vorzulegen - unter dem 18.8.2011 den Sachverständigen Dr. X wie folgt angeschrieben (auszugsweise):

"Mit Beschluss vom 12.7.2011 wurden Sie als Sachverständiger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Als Sachverständiger haben Sie den Entschädigungsanspruch verloren, wenn die Besorgnis der Befangenheit grob fahrlässig oder durch bewusste Pflichtwidrigkeit herbeigeführt wurde. Sie werden daher gebeten, die Vergütung i.H.v. 2651,44 EUR binnen 10 Tagen an die Landesjustizkasse ... zurückzubezahlen. Hiermit weise ich Sie noch darauf hin, sollte der Betrag nicht freiwillig zurückbezahlt wird, im Verwaltungsverfahren beigetrieben werden kann."

Gleichzeitig hat die Kostenbeamtin eine entsprechende Annahmeanordnung an die Landesjustizkasse versandt.

Hierauf hat der Sachverständige mit Schreiben vom 26.8.2011 gegen den "Bescheid vom 18.8.2011" Rechtsmittel eingelegt und zur Begründung ausgeführ...

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