Leitsatz (amtlich)

Arglistiges Verhalten liegt vor, wenn beim Kaufvertrag über einen Pkw zur Frage der Unfallfreiheit eine Erklärung "ins Blaue hinein" abgegeben wird (hier: keine Unfallschäden nach Angabe des Vorbesitzers). Ist der Hersteller des Fahrzeuges auch der erste und bislang einzige Besitzer (Nutzer und Halter) des Fahrzeugs und hält dieser jederzeit abrufbare Informationen über die Reparaturhistorie vor, dann muss jedenfalls ein gewerblicher Händler auf diese Information zurückgreifen, bevor er eine Erklärung über die Unfallfreiheit abgibt.

 

Verfahrensgang

LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 18.03.2013; Aktenzeichen 4 O 760/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.3.2013 verkündete Urteil des Land-gerichts Dessau-Roßlau (4 O 760/11) unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges ..., Fahrzeug-Ident-Nr ..., amtliches Kennzeichen ..., 14.034,76 EUR zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 899,40 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.12.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 76 % und die Klägerin zu 24 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 18.490,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin kaufte mit verbindlicher Bestellung vom 16.12.2008 (K1 Anlagenband) bei der Beklagten einen gebrauchten Pkw ... zum Preis von 18.490,- Euro. Im Kaufvertrag wird eine Laufleistung von 7.735 Km angegeben. Vertragsbestandteil geworden ist eine Gebrauchtwagengarantie der Beklagten (K2 AB). Weiter heißt es in dem Vertrag:

Zahl, Umfang und Art von Mängeln und Unfallschäden lt. Vorbesitzer: [nein]

Dem Verkäufer sind auf andere Weise Mängel und Unfallschäden bekannt: [nein]

Die Beklagte ihrerseits hatte das Fahrzeug mit Vertrag vom 13.8.2008 von der H. GmbH erworben (B1 AB; Laufleistung: 7.731 Km). Bei der Firma H. handelt es sich nach dem Vortrag der Beklagten um einen gewerblichen Zwischenhändler, über den die ... AG Dienstfahrzeuge veräußert. Die Beklagte verweist insoweit auf die Rechnung, die die ... AG mit Datum vom 11.8.2008 gegenüber der H. GmbH gelegt hat (B2 AB). In dieser Rechnung heißt es u.a.: Optische Mängel 335,70 EUR. Weitere Angaben zu Vorschäden enthält weder diese Rechnung noch die von der Fa. H. gegenüber der Beklagten erstellte Rechnung vom 13.8.2011.

Am 8.7.2011 wurde die Klägerin in einen Auffahrunfall verwickelt. Im Rahmen der Regulierung des Unfallschadens wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt (K5 AB). In seinem Gutachten führt der Sachverständige R. unter der Position: Behobene Vorschäden aus:

  • Seitenwand links erneuert
  • Tür hinten links mit erhöhter Lackschichtendicke

Den durch den Auffahrunfall entstandenen Minderwert am streitgegenständlichen Fahrzeug hat der Sachverständige mit 300,- Euro angegeben.

Mit Anwaltsschreiben vom 27.7.2011 hat die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt (K7 AB) und verlangt Rückabwicklung des Vertrages unter Berücksichtigung einer Nutzungsentschädigung (Laufleistung im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung: 32.552 Km/Gesamtfahrleistung im Zeitpunkt der Stilllegung des Fahrzeuges: 34.627 km). Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte sie über die bei Abschluss des Kaufvertrages bestehenden Mängel habe aufklären müssen. Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin die Rückzahlung des vollen Kaufpreises (ohne Berücksichtigung einer Nutzungsentschädigung) sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie bestreitet, dass überhaupt ein Schaden am Fahrzeug vorliegt und dass dieser bei Abschluss des Kaufvertrages existiert habe. Sie selbst habe keinerlei Kenntnis von Mängeln gehabt. Sie habe ihrerseits das Fahrzeug von einem Zwischenhändler übernommen, über den aber in Wirklichkeit die ... AG direkt gebrauchte Dienstwagen vertreibe. Sie habe sich daher auf die Angaben von ... gegenüber der H. GmbH verlassen dürfen. Weitere Recherchen zur Reparaturhistorie habe sie nicht anzustellen brauchen.

Zu dieser Reparaturhistorie hat das LG eine Auskunft der ... AG eingeholt. Dort heißt es (Bl. 46):

An dem Fahrzeug der Klägerin sind ausweislich der Reparaturhistorie vor dem 16.12.2008 folgende Maßnahmen durchgeführt worden:

"Abdeckung für Stoßfänger hinten aus- und eingebaut, Stoßfänger Abdeckung instandgesetzt. Seitenteile demontiert. Seitenteil hinten ersetzt. Seitenteil hinten montiert; Karosserie Lackierung vorbereitet. Abdeckung der Stoßfänger hinten lackiert; Seitenteil hinten lackiert. Zierleiste NTL lackiert"

Darüber hinaus wird mitgeteilt, dass keine Angaben darüber gemacht werden können, was die Ursache für die Reparatur war.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

Das LG hat neben der Einholung der vorgenannten Auskunft ...

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