Leitsatz (amtlich)

1. Eine Großbank ist einem kommunalen Energieversorgungsunternehmen, das keine Verbindlichkeiten in Fremdwährungen hatte, schadensersatzpflichtig, wenn sie vor der Vereinbarung eines Zinssatz- und Währungs-Swap-Geschäfts nicht in den Mittelpunkt der Beratung gerückt hat, dass Währungs-Swaps in der Regel zur Absicherung von Währungsrisiken eingesetzt werden, und wenn sie bei der Beratung den kommunal-rechtlichen Bindungen des Energieversorgungsunternehmens, insb. dem Spekulationsverbot und dem hieraus folgenden Gebot der strengen Beachtung der Konnexität zwischen dem Swap-Geschäft und einem konkreten Grundgeschäft, keine Bedeutung beigemessen hat.

2. Zu den Voraussetzungen eines Missbrauchs der Vertretungsmacht durch den Geschäftsführer eines kommunalen Energieversorgungsunternehmens bei der Vereinbarung eines Zinssatz- und Währungs-Swap-Geschäfts mit einer Großbank.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 02.07.2004; Aktenzeichen 5 O 1340/03)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 2.7.2004 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG Magdeburg, berichtigt durch Beschluss des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG Magdeburg vom 25.8.2004, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 369.715,62 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2.7.2003 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 2/3 der Beklagten und zu 1/3 der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Beschwer der Beklagten und die Beschwer der Klägerin übersteigen jeweils 20.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin der Stadtwerke S. GmbH die Zahlung von 554.573,45 EUR im Zusammenhang mit der Abwicklung eines Zinssatz- und Währungs-Swaps.

Die Stadt S. war Alleingesellschafterin der Stadtwerke S. GmbH. Alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Stadtwerke war seit 1992 Herr H.B. Der Gesellschaftsvertrag regelte in § 10 das Erfordernis einer Zustimmung des Aufsichtsrates zu bestimmten Maßnahmen der Geschäftsführung. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf § 10 des Gesellschaftsvertrages (Bd. I Bl. 44 f. d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte hatte den Stadtwerken im Jahre 1995 einen Kredit i.H.v. ca. 20.000 000 DM gewährt; seitdem war sie als Hausbank der Stadtwerke über deren wirtschaftliche Verhältnisse informiert. Am 1.12.1997 schlossen die Stadtwerke und die Beklagte einen Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte. Darin heißt es u.a.:

"Die Parteien beabsichtigen, zur Gestaltung von Zinsänderungs-, Währungskurs- und sonstigen Kursrisiken im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit Finanztermingeschäfte abzuschließen, die

a) den Austausch von Geldbeträgen in verschiedenen Währungen oder von Geldbeträgen, die auf der Grundlage von variablen oder festen Zinssätzen, Kursen, Preisen oder sonstigen Wertmessern ... ermittelt werden,...

zum Gegenstand haben."

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Rahmenvertrag vom 1.12.1997 (Bd. I Bl. 57 d.A.) Bezug genommen.

Ab 1999 fanden Verkaufsgespräche statt, bei denen eine Beteiligung überregionaler Energieversorger an den Stadtwerken erörtert wurde. Der Mitarbeiter der Beklagten A. M. war hierüber informiert. Hintergrund der Verkaufsbemühungen war, dass die Stadtwerke mit erheblichen Kreditverbindlichkeiten in Gesamthöhe von ca. 120.000 000 DM, nicht nur ggü. der Beklagten, belastet waren. Bis zum Juni 2000 führten die Verkaufsgespräche noch nicht zu einem konkreten Ergebnis.

Am 22.6.2000 vereinbarten die Stadtwerke, vertreten durch ihren Geschäftsführer B., und die Beklagte, vertreten durch ihren Mitarbeiter M., mündlich einen Zinssatz- und Währungs-Swap. Es war vorgesehen, dass die Stadtwerke am 28.6.2010 an die Beklagte einen festen Betrag i.H.v. 7.902.016,02 CHF zahlen. Die Stadtwerke sollten an demselben Tag von der Beklagten 10.000.000 DM erhalten. Swap-Geschäfte hatten die Stadtwerke zuvor mit verschiedenen Vertragspartnern nur in der Form des Zinssatz-Swaps vereinbart.

Dem Vertragsschluss war ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Stadtwerke B. und den Mitarbeitern der Beklagten M. und K. Sch. vorausgegangen; Gesprächsgegenstand war eine Präsentation des Zinssatz- und Währungs-Swap (Bd. I Bl. 159 ff. d.A.).

Am 23.6.2000 beschloss die Gesellschafterversammlung nach Zustimmung des Aufsichtsrats vom 13.6.2000, dass der Geschäftsführer ...

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