Leitsatz (amtlich)

Auch nach dem modernisierten Schuldrecht bedarf es für den Rücktritt vom Vertrag keiner Nacherfüllungsfrist, wenn dies von vornherein sinnlos erscheint, weil der Schuldner bereits zuvor fehlende Erfüllungsbereitschaft zum Ausdruck gebracht hat.

Sucht der Verkäufer ein offensichtlich mit mehreren Mängeln behaftetes Grundstück zu übergeben und stellt er auf die Rüge eines Mangels durch den Erwerber lediglich die Beteiligung an den Beseitigungskosten in Aussicht, kann der Käufer sogleich vom Vertrag zurücktreten.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 29.07.2003; Aktenzeichen 10 O 695/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des LG Magdeburg vom 29.7.2003, Geschäftszeichen: 10 O 695/03 (121), abgeändert:

Die Zwangsvollstreckung aus dem Grundstückskaufvertrag der Parteien vom 18.7.2002, UR-Nr.: 42/2002 des Notars R.W. aus H., wird für unzulässig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 5.000 Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug beträgt 25.000,00 Euro.

 

Gründe

A. Zunächst wird auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Das Zeitungsinserat des Beklagten bezog sich auf ein "Gartengrundstück mit Einfamilienhaus". Das Grundstück ist 422 m2 groß. Der Kläger besichtigte das Anwesen Mitte Juni 2002 in Begleitung der Zeugin J. Das Haus war bewohnt und machte auf den Kläger insgesamt einen dem Alter angemessenen Eindruck.

In § 3 Abs. 4 des Grundstückskaufvertrages vom 18.7.2002 (Bl. 15-25 d.A.) heißt es:

"Das Haus ist vermietet. Das Mietverhältnis ist dem Käufer bekannt.

Die Vertragsparteien wurden vom Notarvertreter darauf hingewiesen, dass gem. § 566 BGB der Käufer die rechtliche Stellung als Vermieter erst mit Umschreibung des Eigentums erlangt. Eine anderweitige Regelung wird von den Vertragsparteien nicht gewünscht".

Die Übergabe des Kaufgegenstandes sollte am Tag der vollständigen Kaufpreiszahlung erfolgen.

Den Zustand des Objektes, wie er sich am 12.9.2002 darstellte, hat der Kläger fotografisch festgehalten. Insoweit wird auf die zur Akte gereichten Fotos verwiesen (Bl. 34-43 d.A.). Das Haus wies kein Schloss auf und stand, wie das Grundstück insgesamt, offen. Die bei der Besichtigung durch den Kläger vorhandenen Nachtspeicheröfen waren ausgebaut, sodass ein Beheizen nicht mehr möglich war. Der Stromzähler und damit die Versorgung mit Elektroenergie fehlten. Die Gartenpforte war ausgebaut und nicht mehr vorhanden. Der Hof und der Garten zeigten sich voll mit hinterlassenem oder auf das Grundstück verbrachtem Müll, insb. Bauschutt und Asbestplatten.

Der Kläger hat behauptet, er sei am Tag der geplanten Übergabe über den Zustand des Objektes empört gewesen. Hierauf habe der Beklagte erklärt, der Kläger solle sich wegen des Mülls an die Müllabfuhr wenden. Die Schlüssel für das eingebaute Schloss habe der Kläger in Empfang nehmen sollen, was von ihm abgelehnt worden sei. Der Beklagte habe die Schlüssel deshalb nachfolgend einfach in den Briefkasten des Klägers eingeworfen.

Im Einzelnen seien die bei der Besichtigung vorhandenen neuen Kunststofffenster bis auf das Wohn- und das Kinderzimmer ausgebaut und durch alte, verschlissene ersetzt worden. Die noch vorhandenen Kunststofffenster habe man offenbar nicht herausbekommen, bei dem Versuch des Ausbaus aber beschädigt. Im gesamten Wohngebäude und im Nebengelass seien Unmengen von Müll vorgefunden worden. Am Haus selbst hätten sich massive Feuchtigkeitserscheinungen und Schimmelbefall gezeigt. Sämtliche Fußböden seien verrottet und teilweise verfault gewesen. Der Fußboden der 1. Etage habe ein großes Loch aufgewiesen, in dem Ratten hausten. Neuwertige Elektroleitungen und -schalter, einschließlich der Hofbeleuchtung seien entfernt worden. Insgesamt habe sich dem Kläger ein deutlich anderer Zustand als zum Zeitpunkt der Besichtigung gezeigt.

Dem Beklagten sei bekannt gewesen, dass die Mieter beim Auszug die Elektroleitungen, die Nachtspeicheröfen, die neuen Fenster und die Gartenpforte entfernen würden. Er habe auch um den Schimmelbefall, die vorhandenen Feuchtigkeitsschäden, den Befall mit Hausbockkäfern und die faulenden Hölzer gewusst, weil die Zeugin Sch. ihn hierauf aufmerksam gemacht habe. Den Kläger habe der Beklagte hierüber pflichtwidrig im Unklaren gelassen.

Der Beklagte hat vorgetragen, den Kläger reue nur der Kauf. Eine substanzielle Verschlechterung habe es seit Abschluss des Kaufvertrages bis zum Übergabetermin nicht gegeben. Dennoch sei der Beklagte bereit gewesen, sich an den Räumungskosten zu beteiligen (Übernahme der Kosten des Containers), wobei der Kläger die Entfernung des Mülls habe allein veranlassen sollen (Bl. 73 d.A.). Der Zustand des Gebäudes sei völl...

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