Leitsatz (amtlich)

1. Anzurechnendes Kindergeld muss betragsmäßig ausgewiesen werden. Eine Anpassung erfolgt ausschließlich nach § 655 ZPO.

2. Die Höhe des Unterhaltes bemisst sich im Beitrittgebiet immer nach § 2 Regelbetrag-Verordnung.

3. Bezugsgröße für die Anrechnung von Kindergeld ist bundeseinheitlich 135 % des Regelbetrages nach § 1 Regelbetrag-Verordnung.

 

Verfahrensgang

AG Oschersleben (Urteil vom 28.04.2003; Aktenzeichen 34 F 89/02)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des klagenden Kindes wird das am 28.4.2003 verkündete Urteil des AG – FamG – Oschersleben unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels im Unterhaltsausspruch abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an das klagende Kind zu Händen der Kindesmutter für die Zeit ab 22.1.2002 einen monatlich im voraus fälligen Kindesunterhalt i.H.v. 100 % des jeweiligen Regelbetrags nach § 2 der Regelbetrag-Verordnung zu zahlen, und zwar für die Vergangenheit sowie zurzeit ohne Anrechnung von Kindergeld.

Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung mit Ausnahme der Gerichtskosten des zweiten Rechtszugs, die nicht erhoben werden.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Gebührenstreitwert für den Berufungsrechtszug beträgt 2.840 Euro.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Mit dem angefochtenen Urteil vom 28.4.2003 hat das FamG festgestellt, dass der Beklagte der Vater des klagenden Kindes ist, und ihn im Annexverfahren für die Zeit ab der Geburt des klagenden Kindes (22.1.2002) zur Zahlung eines monatlich im voraus fälligen Kindesunterhalts i.H.v. 100 % „des Regelbetrages” nach § 2 der Regelbetrag-Verordnung verurteilt, und zwar „unter Anrechnung des jeweiligen anteiligen Kindergeldes nach § 1612b Abs. 5 BGB”.

Gegen die Entscheidung im Unterhaltsausspruch wendet sich das (mit seiner Mutter mittlerweile wieder in Sachsen-Anhalt wohnende) klagende Kind mit der Berufung, mit der es – wie schon im ersten Rechtszug – den „jeweiligen” Regelbetrag nach § 2 der Regelbetrag-Verordnung und für die Zeit ab Januar 2003 (während der es mit seiner Mutter bei Hannover gewohnt hat) erhöhten Kindesunterhalt i.H.v. 100 % des maßgebenden Regelbetrags nach § 1 der Regelbetrag-Verordnung, 1. Altersstufe, begehrt, wobei es diese Forderung im Berufungsrechtszug auf die Zeit bis Juni 2003 begrenzt. Soweit das klagende Kind von der Landeshauptstadt Hannover und dem Bördekreis (Sachsen-Anhalt) Unterhaltsvorschuss bezogen hat und bezieht, haben die Unterhaltsvorschusskassen mit dem klagenden Kind schriftlich die Rückübertragung des auf sie übergegangenen und noch übergehenden Unterhaltsanspruchs vereinbart. Der beklagte Kindesvater erstrebt die Zurückweisung der Berufung. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

II. 1. Die Berufung ist zulässig, zumal die Beschwer von mehr als 600 Euro erreicht ist (§ 511 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F.). Dies folgt nicht zuletzt daraus, dass das angefochtene Urteil im Unterhaltsausspruch keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, weil die dort vorgenommene Kindergeldanrechnung (§ 1612b Abs. 5 BGB n.F.) zu unbestimmt ist. Aus dem Wortlaut der Bestimmung zu § 655 ZPO ergibt sich nämlich, dass nach dem Willen des Gesetzgebers in Vollstreckungstiteln, die auf wiederkehrende Unterhaltsleistungen gerichtet sind, der – jeweils maßgebende – Betrag der nach den Bestimmungen zu §§ 1612b und 1612c BGB anzurechnenden Leistungen festgelegt werden muss (entspr. galt nach Art. 5 § 3 S. 3 des Kindesunterhaltsgesetzes vom 6.4.1998 [BGBl. I 1998, 666 (675)] für die Umstellung von Alttiteln auf das seit 1.7.1998 geltende neue Unterhaltsrecht); hätte der Gesetzgeber auch unbestimmtere Unterhaltstitel als vollstreckungsfähig ansehen wollen, hätte er für den Fall, dass sich ein für die Berechnung des angerechneten Betrags maßgebender Umstand ändert, nicht das Antragsverfahren nach § 655 ZPO einzuführen brauchen (und i.Ü. die Festlegung anzurechnender Leistungen im Umstellungsverfahren nach Art. 5 § 3 Abs. 1 S. 3 KindUG auch nicht davon abhängig gemacht, dass sich aus dem Alttitel ergab, in welcher Höhe anrechenbare Leistungen berücksichtigt worden sind [Art. 5 § 3 Abs. 1 S. 4 KindUG]). Das klagende Kind ist also dadurch beschwert, dass die Vorinstanz seinen Titulierungsanspruch nicht erfüllt hat (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., vor § 511 Rz. 11, m.w.N.). Ein entspr. Hinweis an die Parteien ist mit der schriftlichen Verfügung des Senats vom 6.7.2003 erfolgt.

2. Aus diesem Grunde hat die Berufung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; denn mit dem Urteil des Senats wird erstmals der Titulierungsanspruch des klagenden Kindes erfüllt. Soweit das klagende Kind allerdings höheren Kindesunterhalt als nach § 2 der Regelbetrag-Verordnung begehrt, ist sein Rechtsmittel unbegründet:

a) Das klagende Kind wird von der Kindesmutter vertreten (§ 1629 Abs. 1 BGB), da es ...

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