Leitsatz (amtlich)

Neben der außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund nach § 543 I 1 BGB kann sich der Mieter auch auf das aus § 313 III 2 BGB folgende Recht zur Kündigung stützen, wenn die Geschäftsgrundlage des Mietverhältnisses gestört und eine Anpassung des Vertrages ihm nicht zuzumuten ist.

Befinden sich die nach einer Ausschreibung zu weit über dem ortsüblichen Preis zum Zwecke des Betreibens einer Prägestelle für Kfz.-Kennzeichen vermieteten Räume in der Nähe einer Kfz.-Zulassungsstelle, dann führt der Wegzug der Behörde zu einer Störung der Geschäftsgrundlage, die in der Annahme der Vertragsparteien zu erblicken ist, die Zulassungsstelle werde ihren Standort beibehalten. Der Mieter kann in diesem Fall den Vertrag im Zeitpunkt der Schließung der Zulassungsstelle durch Kündigung beenden.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 01.06.2017; Aktenzeichen 10 O 1294/16)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 01. Juni 2017 (10 O 1294/16) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Schuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von Mietzins für September 2016 in Höhe von 2.142 EUR sowie Feststellung, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien hinsichtlich der Räumlichkeiten im B. Weg, ..., durch die Kündigung des Beklagten vom 25.05.2016 nicht beendet worden ist, sondern unverändert fortbesteht.

Der Kläger war im Jahr 2014 Vermieter von Räumlichkeiten, die sich direkt neben der Kfz-Zulassungsstelle als Teil des Bürgerbüros befanden und die zum festgelegten Zweck der Herstellung und des Verkaufs von amtlichen Kennzeichen vermietet werden sollten. Der Kläger hatte den Abschluss des Mietvertrages zuvor ausgeschrieben. Die Beklagte hatte den Zuschlag erhalten. Zuvor bestand über das streitgegenständliche Mietobjekt ein Mietvertrag zwischen dem Kläger und der K. AG, nunmehr K. GmbH. Darin war ein Sonderkündigungsrecht bei Wegzug der Kfz-Zulassungsstelle vereinbart gewesen.

Am 02.04.2014 unterzeichneten die Parteien einen Mietvertrag über Gewerberäume (K1). Der Kläger vermietete an die Beklagte Räume im Erdgeschoss des Objektes B. Weg mit einer Fläche von 33 qm.

In § 1a Vertragszweck heißt es wie folgt:

1. Das Mietobjekt wird ausschließlich zur Nutzung zum Betrieb einer Prägestelle vermietet.

2. Das Mietobjekt darf nur mit vorheriger Zustimmung des Vermieters anders genutzt werden.

Der Vertrag beginnt am 01.01.2014 und endet am 31.12.2018. Als Mietzins schuldet die Beklagte 1.800 EUR zuzüglich Umsatzsteuer in der jeweils gesetzlichen Höhe mithin insgesamt 2.142 EUR.

In § 8a Betriebspflicht heißt es weiter:

1. Die Beklagte ist verpflichtet, den Mietgegenstand während der gesamten Mietzeit seiner Zweckbestimmung entsprechend zu nutzen. Er wird die Mieträume weder ganz noch teilweise ungenutzt oder leer stehen lassen.

2. Das Geschäftslokal ist im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen über die Ladenschlusszeiten an allen Verkaufstagen zu den vom Vermieter festgelegten Öffnungszeiten offen zu halten.

...

4. Verstößt der Mieter gegen seine Betriebspflicht hat er an den Vermieter eine Vertragsstrafe für jeden Tag des Verstoßes gegen die Betriebspflicht in Höhe von 125 % der auf den Tag entfallenden Grundmiete inklusive Umsatzsteuer zu zahlen.

In § 19 "Mietsicherheit" ist geregelt, dass eine Mietsicherheit zur Sicherung der Ansprüche des Vermieters aus dem Mietverhältnis aus einem alten Mietvertrag übernommen wird (Bl. 15 d. A.).

In § 21 "Sonstige Verpflichtungen" ist in Ziffer 4 vereinbart, dass die Mietvertragsparteien sich verpflichten, das Mietverhältnis nicht unter Berufung auf die Nichteinhaltung der gesetzlichen Schriftform vorzeitig zu kündigen. Eine Regelung zur Kündigung enthält der Vertrag nicht.

Die ortsübliche Miete für dieses Objekt liegt zwischen 5 EUR und 9 EUR pro Quadratmeter.

Mit Schreiben vom 25.05.2016 kündigte die Beklagte das Mietverhältnis wegen der Schließung der Kfz-Zulassungsstelle im Bürgerbüro Mitte im B. Weg außerordentlich zum 31.08.2016. Der Kläger widersprach der Kündigung. Die Räumlichkeiten wurden an den Kläger am 31.08.2016 übergeben. Mit Schreiben vom 30.08.2016 wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass mit der Übernahme der Schlüssel kein Einverständnis mit einer vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses verbunden ist.

Mietzinszahlungen werden seit September 2016 nicht mehr geleistet.

Der Kläger ist der Auffassung, dass der Mieter das Verwendungs- und Ertragsrisiko der Mietsache zu tragen habe. Die Beklagte hätte als Unternehmerin auch das Risiko im Blick haben müssen, dass di...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge