Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Beauftragung mit der Beratung und Vertretung in einer Insolvenzangelegenheit ist der Rechtsberater verpflichtet, diejenige Lösung zu suchen, die vermeidbare Vermögensschäden vom Mandanten abwendet.

2. Bestehen für den Mandanten bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit verschiedene Handlungsmöglichkeiten (hier: Einleitung eines Regelinsolvenzverfahrens durch Eigenantrag oder Schaffung der Voraussetzungen für ein Verbraucherinsolvenzverfahren), so ist es pflichtwidrig, dem Mandanten einseitig nur eine dieser Varianten, und zwar als alternativlose Handlungsoption, darzustellen.

3. Ein Rechtsberater, der die Beratung und Vertretung in einer Insolvenzangelegenheit übernommen hat, muss die Handlungsmöglichkeiten bei persönlicher Zahlungsunfähigkeit und die damit jeweils verbundenen Chancen und Risiken kennen und mit seinem Mandanten besprechen.

 

Verfahrensgang

LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 20.07.2007; Aktenzeichen 6 O 459/06)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.01.2011; Aktenzeichen IX ZR 238/08)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 20.7.2007 verkündete Urteil des LG Dessau-Roßlau, 6 O 459/06, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden bzw. des tatsächlich vollstreckten Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer des Beklagten übersteigt 20.000 EUR.

und beschlossen:

Der Kostenwert des Berufungsverfahrens beträgt 33.460,65 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schadenersatz aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes (künftig: Mandant) wegen fehlerhafter Rechtsberatung im Zusammenhang mit einem Regelinsolvenzverfahren im Dezember 2001.

Der Mandant betrieb seit 1990 ein Autohaus in Form eines Einzelunternehmens. Im Jahre 1996 schloss er einen Vertrag als H.-Vertragshändler und errichtete gemäß vertraglich übernommener Investitionsverpflichtungen ein neues Autohaus, überwiegend finanziert mit Fremdmitteln. Im Jahre 1999 wurde der Vertragshändlervertrag mit ihm zum 31.5.2001 gekündigt. Danach erwirtschaftete er in den Jahren 2000 und 2001 Verluste im Unternehmen. Am 20.12.2001 meldete er sein Gewerbe ab und schloss den Geschäftsbetrieb des Autohauses.

Der Mandant hatte zur Altersvorsorge einen Vertrag zur privaten Rentenversicherung sowie einen Kapitallebensversicherungsvertrag geschlossen. Die Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von damals ca. 25.600 EUR hatte er mit Pfandvertrag vom 20.12.2000 an die Klägerin verpfändet. Die Pfändung war rechtlich unwirksam, weil sie der Versicherungsgesellschaft zunächst nicht angezeigt worden war; die Anzeige erfolgte erst am 7.2.2002. Das Bezugsrecht für die Rentenversicherungsleistung mit einem Rückkaufswert von ca. 1.500 EUR hatte der Mandant unter dem 18.12.2001 ebenfalls seiner Ehefrau eingeräumt.

Der Beklagte war seit mehreren Jahren mit der gesamten Buchhaltung sowie mit der Beratung und Vertretung der Eheleute B. in allen privaten und gewerblichen Steuerangelegenheiten betraut. Im Dezember 2001 wurde er weiter mit der Beratung und Vertretung in einer Insolvenzangelegenheit beauftragt; der Mandant unterzeichnete am 19.12.2001 eine gesonderte Vollmacht für den Beklagten hierfür. Der Beklagte reichte am 21.12.2001 namens und in Vollmacht des Mandanten einen Antrag auf Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens beim AG Dessau ein; daraufhin wurde das Verfahren ... geführt. Der Insolvenzverwalter kündigte beide o.g. Versicherungsverträge und zog die Rückkaufswerte zur Masse ein. Diese Einnahmen wurden vollständig für die Begleichung der Verfahrenskosten und der Vergütung des Insolvenzverwalters verwendet. Die Herausgabe der Versicherungspolicen hatte er gerichtlich gegen den Mandanten durchgesetzt. Der Mandant hatte sich in diesem Rechtsstreit vor allem damit verteidigt, dass eine Rentenversicherung nicht pfändbar sei und dass die rechtzeitige Mitteilung der Verpfändung der Lebensversicherungsleistungen gegenüber einem Versicherungsvertreter ausreichend sei, obwohl die Allgemeinen Versicherungsbedingungen des konkreten Vertrages eine Empfangsvollmacht des Versicherungsvertreters ausdrücklich ausschlossen. Der Senat hat die Akten dieses Rechtsstreits (6 O 131/04 LG Dessau = 5 U 77/04 OLG Naumburg) beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Die Klägerin hat u.a. behauptet, dass der Beklagte den Mandanten zur Beantragung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens gedrängt habe. Er habe den Antrag als einzige Handlungsalternative dargestellt und den Mandanten dabei nicht über die Risiken und Kosten eines Verbraucherinsolvenzverfahrens aufgeklärt, insbesondere nicht über das Risiko des Verlustes seiner bisherigen Altersvorsorge. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, die Insolvenzfestigke...

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