Normenkette

StVG § 7 Abs. 1

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14.12.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Halle abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 6.057,61 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.03.2016 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 465,65 EUR zu zahlen. Hinsichtlich der weitergehenden Zinsforderung wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.057,61 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II. Die Berufung ist zulässig, sie hat auch in der Sache - bis auf einen geringfügigen Teil der Zinsforderung - Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 14.11.2015 in Halle einen Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 249 BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG in geltend gemachter Höhe.

Dass die Beklagte als Haftpflichtversicherung des Schädigers dem Grunde nach zu 100 % für die unfallbedingten Schäden haftet, ist unstreitig. Zwischen den Parteien besteht auch kein Streit darüber, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, für die Zeit, in der das beschädigte Fahrzeug der Klägerin nicht zur Nutzung zur Verfügung stand, die notwendigen Mietwagenkosten zu erstatten, soweit die Zeit des Ausfalls des beschädigten Fahrzeugs nicht auf einer Verletzung der Schadensminderungspflicht seitens der Klägerin beruht. Das unfallbedingt beschädigte Fahrzeug stand während der 65 Tage, in denen der Mietwagen genutzt wurde, nicht zur Verfügung. Deswegen war die Bereitstellung eines Ersatzfahrzeugs für diese Zeitspanne erforderlich. Um Auto fahren zu können - oder Herrn K. S. fahren zu lassen -, benötigte die Klägerin ein Auto. Der Streit der Parteien geht ausschließlich darum, in welcher Höhe die angefallenen Mietwagenkosten zu erstatten sind.

1. Die Beklagte dringt mit ihrem Einwand, es beruhe auf einer Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Klägerin, dass der Mietwagen 65 Tage genutzt wurde, und deshalb seien nicht mehr als die von der Beklagten regulierten Mietwagenkosten für neun Tage zu erstatten, nicht durch.

Die Auffassung der Beklagten, dass ein Geschädigter unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht generell gehalten sei, den Schaden aus eigenen Mitteln vorzufinanzieren, entspricht nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Die Beklagte stützt sich auf die in der Kommentierung bei Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Auflage, § 254 Rn. 44, zitierte Entscheidung des OLG Hamm vom 18.01.1984, 3 U 116/83 (MDR 1984, 490). Nach dieser Entscheidung hat der Geschädigte im Regelfall keinen Anspruch darauf, dass der Haftpflichtversicherer ihm das wirtschaftliche Risiko des zu erteilenden Reparaturauftrags durch eine sogenannte Übernahmebestätigung abnimmt; dem OLG Hamm zufolge darf der Geschädigte etwaige Ungewissheiten zum Grund des Anspruchs nicht auf den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer abwälzen, und der Geschädigte muss sich bei mangelnder eigener finanzieller Potenz sich wegen der wirtschaftlichen Behebung des Schadens auch Kreditquellen erschließen. Diese Entscheidung des OLG Hamm ist durch spätere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs überholt.

Nach Auffassung des BGH ist der Geschädigte im Rahmen der ihm nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht nicht stets gehalten, ein Deckungsgeschäft vorzunehmen Dies muss vielmehr im Einzelfall von der Sache her geboten und ihm auch zuzumuten sein. Insbesondere kann eine Pflicht des Geschädigten, zur Schadensbeseitigung einen Kredit aufzunehmen, nur unter besonderen Umständen angenommen werden. Die Rechtsprechung hat eine solche Pflicht nur ausnahmsweise bejaht. Es ist grundsätzlich Sache des Schädigers, die vom Geschädigten zu veranlassende Schadensbeseitigung zu finanzieren. Der Geschädigte hat Anspruch auf sofortigen Ersatz und ist nicht verpflichtet, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder zur Vermeidung von Folgeschäden Kredit aufzunehmen. Vielmehr hat der Schädiger grundsätzlich auch die Nachteile zu ersetzen, die daraus herrühren, dass der Schaden mangels sofortiger Ersatzleistung nicht gleich beseitigt worden ist und sich dadurch vergrößert hat. Das Risiko, dem Geschädigten überhaupt zum Ersatz verpflichtet zu sein, trägt dabei der Schädiger, wie es umgekehrt zu Lasten des Geschädigten geht, wenn ein anfänglicher Streit über den Haftungsgrund später zu seinen Ungunsten geklärt wird (BGH, Urteil vom 26.05.1988, III ZR 42/87, zitiert nach Juris).

Allenfalls kann eine Verpflichtung des Geschädigten, den Schaden zunächst aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder gar Kredit zur Schadensbehebung aufzunehmen, ausnahmsweise dann bejaht werden, wenn der ...

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