Leitsatz (amtlich)

Ein Tierhalter, der auf einer Gartenparty seinen Hund frei herumlaufen lässt, muss davon ausgehen, dass dieser von den Gästen als gänzlich ungefährlich angesehen wird und sich gegebenenfalls auch im Umgang mit Hunden nicht erfahrene Gäste dem Tier annähern. Eine schuldlose Mitverursachung durch den Geschädigten wird im Rahmen der Gefährdungshaftung nicht berücksichtigt. Für ein Mitverschulden muss der Geschädigte gegen Gebote des eigenen Interesses vorwerfbar verstoßen haben (hier verneint).

Bei einem Hund ergibt sich nicht von vornherein die Nutztiereigenschaft, auch nicht wenn er als Wachhund ausgebildet und angeschafft worden ist. Vielmehr kommt es darauf an, welchem Zweck er objektiv dienstbar gemacht worden ist.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 14.05.2009; Aktenzeichen 9 O 418/07)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des LG Halle vom 14.5.2009 - 9 O 418/07, teilweise abgeändert.

Die Klage wird in Höhe weiterer 18,10 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 25.8.2007 abgewiesen.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Und beschlossen:

Der Streitwert für das Verfahren erster und zweiter Instanz wird unter Abänderung des Streitwertbeschlusses der 9. Zivilkammer des LG Halle vom 14.5.2009 auf 18.413,82 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO überwiegend abgesehen. Es wird insoweit auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 14.5.2009 Bezug genommen. Zu ergänzen ist, dass die Klägerin über die im Tatbestand genannten Anträge hinaus auch beantragt hat, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die aus dem Angriff des Hundes vom 30.4.2007 nach der letzten mündlichen Verhandlung noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen (Protokoll vom 4.5.2009, Bl. 23, Bd. II d.A., vom 22.1.2009, Bl. 223, Bd. I d.A.).

Das LG hat der Klägerin materiellen Schadenersatz i.H.v. 649,42 EUR und Schmerzensgeld i.H.v. 10.000 EUR zugesprochen und die begehrte oben genannte Feststellung getroffen unter Zurückweisung der Forderung im übrigen (764,40 EUR weiterer materieller Schadenersatz und 5.000 EUR weiteres Schmerzensgeld). Auf das Urteil wird Bezug genommen. Gegen diese Verurteilung richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er begehrt, das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, das LG habe zu Unrecht eine Schadensersatzpflicht angenommen. Die Ersatzpflicht bestehe nicht, da der Hund ein Nutztier sei. Unstreitig wird der Hund des Beklagten als Wachhund eingesetzt. Er ist auch als Wachhund ausgebildet worden und entspricht von seiner Rasse und körperlichen Konstitution einem Wachhund. Es entspreche den Gepflogenheiten der Hundehaltung, dass das Tier den Beklagten auch gelegentlich privat begleite. Dies stehe der Wertung als Nutztier nicht entgegen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass ausgebildete Wachhunde dann besonders gefährlich seien, wenn sie außerhalb des von ihnen sonst zu bewachenden Grundstückes auf fremde Personen träfen. Er habe keine Sorgfaltspflichtverletzung begangen, als er den Hund auf dem eingezäunten Privatgrundstück frei herumlaufen ließ. Er habe den Unfall weder vorhersehen noch verhindern können. Das LG hätte den Entlastungsbeweis als geführt ansehen müssen. Die Klägerin habe auf eigene Gefahr gehandelt, als sie den Hund geherzt und gedrückt und gebilligt habe, dass er die Pfoten auf ihren Schoß legte. Zu Unrecht habe das LG den Beklagten nicht vernommen. Die Parteivernehmung sei geboten gewesen. Er hätte sich dann auch dazu äußern können, dass er der Klägerin geraten habe, es mit dem Hund "nicht zu übertreiben". Es lasse sich vorliegend nicht feststellen, dass sich die spezifische Tiergefahr verwirklicht habe. Es sei nicht auszuschließen, dass die Klägerin beim Drücken und Herzen des Hundes übertrieben und hierdurch vorhersehbar eine entsprechende Reaktion des Hundes veranlasst habe. Hinzukäme, dass die Klägerin sich durch die Beschäftigung mit dem Hund erst in die Gefahr begeben habe. Nähere man sich einem Hund, um diesen zu streicheln, begebe man sich in eine Gefahr, die anderenfalls nicht bestünde. Das gelte erst recht, wenn man in unmittelbarer Reichweite des Maules mit dem Tier umgehe und es drücke. Die Klägerin sei nicht zufällig oder zwangsweise mit dem Hund in Kontakt getreten. Sie habe sich freiwillig und bewusst in die Tiergefahr begeben. Jedenfalls trete die Haftung des Beklagten ganz erheblich hinter das Handeln der Klägerin auf eigene Gefahr zurück. Zudem habe die Klägerin den Schaden mitverschuldet, in dem sie den Hund gedrückt habe.

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