Leitsatz (amtlich)

Für den rechtzeitigen Eingang eines per Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsatzes (hier: der Berufungsbegründung) kommt es allein darauf an, ob die Empfangseinrichtung des Gerichts die gesendeten Signale bis zum Ablauf der Frist vollständig gespeichert hat, mithin der Übertragungsvorgang mit der Speicherung komplett abgeschlossen war. Um dies zu ermitteln, ist dem aus dem Journal des Empfangsgerätes ersichtlichen Übertragungsbeginn die dort ebenfall verzeichnete Übertragungsdauer hinzuzurechnen.

Wurde die abrufbare Datei im internen Datenspeicher des Empfangsgerätes trotz fristgerechten Übertragungsbeginns erst nach Fristablauf angelegt, kann sich der Absender nicht darauf berufen, jede Seite des Schriftsatzes gesondert unterschrieben zu haben.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 26.01.2012; Aktenzeichen 6 O 639/08)

 

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

Die Berufung des Beklagten gegen das am 26.1.2012 verkündete Einzelrichterurteil der 6. Zivilkammer des LG Halle wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 130.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung einer Vergütung für die Entwicklung und Lieferung eines Datenverarbeitungsprogramms aus einem mit dem Beklagten am 23.4.2005 geschlossenen Kooperationsvertrag in Anspruch. Der Beklagte hat widerklagend die Rückerstattung einer im Hinblick auf die Lieferung des Datenverarbeitungsprogramms geleisteten Anzahlung gefordert.

Auf die Tatsachenfeststellungen in dem angefochtenen Urteil des LG vom 26.1.2012 wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG hat der Klage im Wesentlichen statt gegeben und den Beklagten verurteilt, an den Kläger 103.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.6.2006 sowie einen Betrag i.H.v. 2.118,44 EUR an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage und die Widerklage des Beklagten abgewiesen.

Gegen dieses dem Beklagten am 31.1.2012 zugestellte Urteil hat dieser mit einem am 27.2.2012 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Auf seinen wiederholten Antrag ist die Frist zur Begründung der Berufung zuletzt bis zum 26.4.2012 verlängert worden. Die vom 26.4.2012 datierende sechsseitige Berufungsbegründungsschrift hat der Beklagtenvertreter an das OLG vorab durch Telefax übermittelt. Der Faxausdruck trägt am oberen Rand einen Aufdruck des Absendgerätes mit dem Datum 26.4.2012 sowie der Uhrzeitangabe 23.56 Uhr und am unteren Seitenrand "Empfangszeit 26.4.2012, 23.57 Uhr, Nr. 3995". Jede Seite der Kopiervorlage ist mit der Paraphe des Beklagtenvertreters versehen. Nach dem Inhalt des Telefaxjournals des am OLG genutzten Telefaxgerätes hat der Sendevorgang am 26.4.2012 um 23.57 Uhr begonnen und dauerte insgesamt 4,14 Minuten. Die Poststelle des OLG hat als Eingang dementsprechend den 27.4.2012, 24.01,14 Uhr verzeichnet.

Mit Verfügung vom 2.5.2012 ist der Beklagtenvertreter auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung hingewiesen worden, weil die Berufungsbegründungsschrift nicht innerhalb der bis zum 26.4.2012 verlängerten Begründungsfrist, sondern erst am 27.4.2012 bei dem OLG eingegangen war. Darauf hat dieser unter dem 11.5.2012 unter Vorlage des Sendeberichtes seines Telefaxgerätes geltend gemacht, dass die Begründungsschrift noch am 26.4.2012 gegen 23.59,33 Uhr und damit rechtzeitig bei dem Berufungsgericht eingegangen sei. Die Uhrzeitangabe seines Telefaxgerätes würde er alle zwei Tage einer Kontrolle unterziehen und dabei neu einstellen. Die Einstellung erfolge stets nach seiner Armbanduhr, die anhand der Uhrzeitangabe im Videotext eingestellt werde. Um etwaige Ungenauigkeiten auszugleichen, halte er es in der Regel so, dass er die Uhr seines Telefaxgerätes um ca. 30 bis 45 Sekunden gegenüber der offiziellen Zeit vorstelle. In Anbetracht der hier vorliegenden Fristsache habe er persönlich die Uhrzeit des Telefaxgerätes am 26.4.2012 gegen 12.30 Uhr überprüft und - als Sicherheitsreserve - um 45 Sekunden vorgestellt. Den sechsseitigen Begründungsschriftsatz habe er in den Abendstunden des 26.4.2012 gegen 23.50 Uhr fertig gestellt, ausgedruckt und jede ausgedruckte Seite jeweils einzeln mit seiner Unterschrift versehen. Im Anschluss daran habe er nach den Zeitangaben seines Telefaxgerätes gegen 23.56 Uhr mit der Übertragung des Schriftsatzes an den Hauptanschluss des OLG begonnen. Das angewählte Empfangsgerät des Berufungsgerichts sei weder besetzt gewesen, noch hätten der Übermittlung der Begründungsschrift irgendwelche technischen Hindernisse entgegen gestanden. Während des Übertragungsvorganges habe er allerdings festgestellt, dass das Telefaxgerät des OLG die Empfangssignale extrem langsam entgegen genommen und verarbeitet habe. Nach 4 Minuten und 9 sec. sei die Übermittlung beendet gewesen u...

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