Leitsatz (amtlich)

1. Wendet sich der Anwalt, für dessen Kanzlei ein Abwickler bestellte worden war, gegen die Festsetzung der Abwicklervergütung durch die Rechtsanwaltskammer, so wird der frühere Abwickler durch die Entscheidung des AnwGH unmittelbar in seinen eigenen Rechten berührt. Seine verfahrensrechtliche Stellung richtet sich daher nach den Vorschriften über die notwendige Beiladung im Verwaltungsprozess (§§ 65, 66 VwGO).

2. Die Festsetzung der Abwicklervergütung durch die Rechtsanwaltskammer (§ 55 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 53 Abs. 10 S. 5 BRAO) kann sowohl von dem Abwickler als auch von dem Anwalt, für dessen Kanzlei der Abwickler bestellt worden war, vor dem AnwGH angefochten werden.

3. Wird die Zulassung eines Anwalts zur Rechtsanwaltschaft widerrufen und die sofortige Vollziehung des Zulassungswiderrufs angeordnet, so darf - solange der Zulassungswiderruf noch nicht bestandskräftig geworden ist - für die Kanzlei des betroffenen Anwalts nur ein amtlicher Vertreter, nicht aber ein Abwickler bestellt werden.

4. Die Festsetzung einer von dem betroffenen Anwalt zu zahlenden Abwicklervergütung durch die Rechtsanwaltskammer entbehrt von vornherein der Grundlage, wenn für die Kanzlei des Anwalts kein Abwickler, sondern ein amtlicher Vertreter hätte bestellt werden müssen.

 

Tenor

I. Der Bescheid der Antragsgegnerin v. 2.5.2002/16.6.2003, i.V.m. dem Beschluss des Vorstandes der Antragsgegnerin v. 29.4.2002, über die Festsetzung der Abwicklervergütung für Frau Rechtsanwältin T. wird aufgehoben.

II. Die weiteren Anträge des Antragstellers werden zurückgewiesen.

III. Die Gerichtskosten trägt die Antragsgegnerin; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

IV. Der Geschäftswert für das anwaltsgerichtliche Verfahren wird auf 13.345,16 Euro festgesetzt.

 

Gründe

A. Der Antragsteller, der durch den Präsidenten des OLG Hamm am 22.9.1987 erstmals zur Rechtsanwaltschaft zugelassen wurde, erhielt mit Verfügung des Präsidenten des LG Dessau v. 14.11.1997 die anderweitige Zulassung als Rechtsanwalt beim AG Bitterfeld, LG Dessau und OLG Naumburg.

Mit Bescheid v. 10.7.2000 widerrief der Präsident des LG Dessau die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) und ordnete zugleich die sofortige Vollziehung des Widerrufsbescheides an. Die hiergegen gerichteten Anträge des Antragstellers auf Aufhebung des Widerrufsbescheides (AnwGH Sa.-Anh., Beschl. v. 16.8.2000 - 1 AGH 6/00) und auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (AnwGH Sa.-Anh., Beschl. v. 16.8.2000 - 1 AGH 7/00) wies der AnwGH durch die Beschlüsse v. 16.8.2000 zurück. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers im Hauptsacheverfahren hatte Erfolg. Mit Beschl. v. 22.10.2001 (BGH, Beschl. v. 22.10.2001 - AnwZ (B) 55/00) hob der BGH die Entscheidung des Senats v. 16.8.2000 und die Widerrufsverfügung der Landesjustizverwaltung v. 10.7.2000 auf, nachdem der Antragsteller die Forderung, mit der der Widerruf seiner Anwaltszulassung ausschließlich begründet worden war, zwischenzeitlich bezahlt hatte.

Mit Bescheid ebenfalls v. 10.7.2000 bestellte der Präsident des LG Dessau die Beigeladene, Rechtsanwältin T., zur "Abwicklerin" der Kanzlei des Antragstellers. Die Bestellung wurde von der - inzwischen zuständigen - Rechtsanwaltskammer des Landes Sachsen-Anhalt, der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren, durch Bescheid v. 13.2.2001 um zwei bzw. drei Monate bis zum 31.3.2001 verlängert. Eine Übersendung der beiden Bescheide v. 10.7.2000 und 13.2.2001 an den Antragsteller erfolgte nicht; in seinem Widerrufsbescheid v. 10.7.2000 hatte der Präsident des LG den Antragsteller von der Abwicklerbestellung lediglich "in Kenntnis gesetzt". Mit Beschlüssen v. 2.5.2002 sowie 14.3.2003 (AnwGH Sa.-Anh., Beschl. v. 14.3.2003 - 1 AGH 2/02) lehnte der Senat den Antrag des Antragstellers v. 4.3.2002, ihm Prozesskostenhilfe für einen Antrag auf Aufhebung des Beschlusses über die Bestellung der Rechtsanwältin T. zur Abwicklerin zu bewilligen, ab; der Antragsteller sei - so der Senat - nach Ablauf des Bestellungszeitraums nicht mehr i.S.d. § 223 Abs. 1 S. 3 BRAO in seinen Rechten verletzt.

In seiner Sitzung v. 12.6.2001 beschloss der Vorstand der Rechtsanwaltskammer, Rechtsanwältin T. zu gestatten, "für den Abwicklungszeitraum von 9 Monaten bei monatlich 1.500 DM (Durchschnittsberechnung) einen Betrag von 13.500 DM vom Abwicklungskonto auf Ihr Geschäftskonto zu übernehmen". Die Entscheidung wurde der Abwicklerin mit Schreiben der Antragsgegnerin v. 12.6.2001 mitgeteilt; der Antragsteller erhielt zunächst keine Nachricht.

Am 29.4.2002 fasste der Vorstand der Antragsgegnerin ausweislich des Sitzungsprotokolls den folgenden weiteren Beschluss betr. "Abwicklervergütung RAin T. für RA F.":

"Abwicklerin v. 10.7.2000 bis 31.3.2001 gezahlt bzw. entnommen vom Abwicklerkonto 9 Monate à 1.500 DM = 13.500 DM ohne MwSt.

Antrag lautet nunmehr monatlich 2.500 DM für 9 Monate Differenz 9.000 DM = 4.602 Euro + 736,32 Euro MwSt. = 5.338,32 Euro

Aus der Zahlung von 1...

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